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Unsere Weltenbummler ...
Weltreisende berichten. Reiseerzählungen Teil IV:

Kamboscha:

Wir wanderten über die Grenze. Die Betrügernummern mit der Visaabzocke und dem angeblichen Tickettausch durchschauten wir schnell, passierten die Grenze und erreichten nach dem Papier- und Stempelkram den Grenzort auf der anderen Seite. Auch hier prallten die Veräppelungen ab, und der nächste Bus brachte uns nach Siem Reap, natürlich nahezu direkt ins Zimmer eines Guesthouses, die hier pro gefangenen Touristen bis zu sieben Dollar an die Busfahrer zahlen. Wir suchten uns nach kurzem Wortgefecht ein neues zusammen mit Cody (Canada) und einem Pärchen aus GB.

Für drei Tage besichtigten wir die größten religiösen Bauwerke der Welt - Ankor Wat - mit Tuk Tuk und Fahrrad. Wirklich eindrucksvolle riesige Tempel, verwunschene Schlösser und atemberaubende Architektur, mehr als tausend Jahre alt. Die 40 U$ pro Person für drei Tage waren wirklich sauteuer, aber die Eindrücke entsprachen dem unverschämten Preis für kambodschanische Verhältnisse. Aber wen wunderts, ist doch die gesamte Anlage mit vielleicht 1000 qkm Größe fest in französischer Hand.

Die Stadt lebt ausschließlich vom Tourismus mit all seinen Entartungen. Fährt man, so wie wir, bei Dunkelheit hier ein, so glaubt man sich in Zermatt oder einem dieser Skiresorts. Kambodscha war das jedenfalls noch nicht. Auf all unseren Touren durch das Land hielten wir uns stets an die ausgetretenen Wege und Pfade, immer mit dem mulmigen Gefühl der Anwesenheit der über 6 Millionen unsichtbaren, aber allgegenwärtigen Landminen. Man sieht auf Schritt und Tritt Verstümmelte, auch jede Menge Kinder mit fehlenden Gliedmaßen. Täglich zerstören diese furchtbaren Reliquien der Roten Khmer irgendwo im Land ein oder mehrere Leben.

Überhaupt scheint das gesamte Land traumatisiert nach den Jahrzehnte andauernden Kriegen, einer völlig degenerierten kommunistischen Diktatur unter Pol Pot mit über 3 Millionen gefolterten und malträtierten Toten. Alles wurde blind niedergemetzelt, Frauen, Kinder, Männer, ohne Sinn und Grund, lediglich mit dem kranken Willen einiger wenigen Oberen, einen kommunistischen Staat schneller als alle anderen in der Welt zu erschaffen. Dies auf der Grundlage einer ausgelöschten Intelligenz, vernichteter Elterngenerationen und der Züchtung eines willenlosen, nichtdenkenden Arbeiter- und Bauernvolkes. Die Kinder wurden von ihren Eltern und Familien getrennt und in parteitreuer Manier in Lagern aufgezogen.

Es ist für uns nur schwer vorstellbar, was hier von Menschen an Menschen angerichtet wurde. Jede erzählte Anekdote aus der Zeit 1973 - 1975 lässt einem den Atem stocken, und die Methodik der Folter und Vernichtung zeigt schier grenzenlose Vielfalt und Ideenreichtum. In Phnom Penh sahen wir uns das ehemalige Gefängnis S 21 an. Der dort gezeigte Film, die Fotos, Bilder und Zellen vemittelten einen schauerlichen Eindruck dessen, was hier passiert ist. Die ersten freien Wahlen unter Aufsicht der UN fanden hier erst 1997 statt. Noch heute ist die politische Situation äußerst instabil, und der Frieden hängt immer noch am "seidenen Faden". Die Korruption ist bis in höchste Kreise der Regierung uferlos, die Polizei ineffizient und meistens schlafend anzutreffen, und das vermutlich erbärmliche Gehalt wird durch frei erfundene "Eintrittsgelder" zur Besteigung des einzigen Hügels der Stadt oder durch erpresste Strafen für die von Ausländern angeblich begangenen Verkehrsvergehen aufgebessert. Die Hauptstadt ist steil auf dem Weg der marktwirtschaftlichen Entwicklung des Konsums, ganz entgegen des eigentlichen Namens "Sozialistische Volksrepublik Kambodscha".

Wir sahen uns den Königspalast an, welcher durch den noch vorhandenen König auch tatsächlich benutzt wird, das geschäftige Mekongufer und den durchaus reizvollen, mitten in der Stadt gelegenen See mit unzähligen Backpacker-Pensionen, Restaurants und natürlich den zentralen Markt, der bereits in thailändischem Stil alle Fakes und Kopien der internationalen Label zu Spottpreisen bietet.

Mit einem Bus fuhren wir weiter in Richtung Küste nach Süden. Wir hatten auf unser beantragtes Visa für Indien fünf Tage zu warten, und so sahen wir zuerst Kampot, ein friedliches, etwas schmutziges Städtchen, 2 Busstunden von der Hauptstadt entfernt. Den hier besonders angepriesenen Berg Bokor schenkten wir uns wegen des harschen Missverhältnisses zwischen überteuertem Eintrittspreis in den Nationalpark und geringem Besichtigungswert. Das für zwei Tage geliehene Motorrad brachte uns hingegen einen exzellenten Rundumblick in der Gegend, und so sahen wir die Elefantenhöhlen (mit sieben 8jährigen Bergführern - Lohn war je ein Bonbon!) und den schmalen Küstenstreifen um Kep, mit all den Ruinen der begonnenen, jedoch nie fertiggestellten Funktionärsvillen der Roten Khmer aus den 1970ern. Von Kampot aus führte uns der Weg weiter entlang der Küste nach Siunoukville, einem gepriesenen Küstenort mit wohl sehenswertem Mangrovenwald im Nationalpark. Das Städtchen besteht zum wesentlichen Teil aus Pensionen, Betonburghotels und einem schmalen, schmutzigen Streifen Strand. Auch das Wetter, es schüttete drei Tage lang aus Kübeln, vertrieb uns schnell wieder zurück in die Hauptstadt. Endlich hatte man uns den indischen Stempel in den Reisepass geschmiert, und so zogen wir weiter durchs Land, diesmal nach Westen.

Kratie hieß unsere nächste Adresse, ein Ort geprägt von alter, vor-sich-hin-rottender französischer Kolonialarchitektur, direkt am hier riesig breiten Mekong-River gelegen und mit trotz des Schlammes schöner, ruhiger Athmosphäre. Wir striffen durch den Ort und genossen einen spektakulären Sonnenuntergang nach schwerem Gewitter am Fluss. Zum Dinner luden wir uns einen bettelnden Jungen mit nur noch einem Bein und zwei vielleicht achtjährige Mädchen, die ebenfalls fleißig bettelten, in eine der zahllosen Straßenküchen ein. Es gab die standardisierte Nudelsuppe und die erste Coca Cola im Leben der 3 Abendgäste. Allein die Gesichter, welche sich nach dem ersten Schluck des fremden Getränkes schmerzverzerrten, waren köstlich anzusehen. Ein ausgewachsener Rülpser der Kleinsten der drei ließ sie vor sich selbst derart erschrecken, dass sie ihre Dose nicht mehr anrühren wollte.

Tags drauf transportierte uns die heillos überfüllte Schnellbootfähre, zusammen mit vielleicht zwanzig Leuten auf dem Dach sitzend, in abenteuerlicher Fahrt nach Norden in die Stadt Slung Treng. Natürlich verließen wir Kratie nicht, ohne die in der Welt letzten noch existierenden Süßwasserdelfine gesehen zu haben. Ein Boot fuhr uns zusammen mit zwei Australis lärmend und undicht über den schätzungsweise zwei Kilometer breiten Fluss. Von diesen faszinierenden Spezies sahen wir immerhin Rücken nebst Flosse, na ja!?

Slung Treng war nurmehr eine Zwischenstation auf unserem Weg an die laotische Grenze im Norden. Ebenfalls schmutzig und ziemlich öde, missbrauchten wir diese Lokation nur als Schlafplatz. Insbesondere die lokalen Aufreißer mit ihren penetranten Versuchen, uns in die Pensionen zu schleppen, welche die besten Provisionen versprachen, waren mehr als nervig.

Am nächsten Morgen bestiegen wir zusammen mit ein paar Einheimischen ein sogenanntes Speedboat. Das sind hier kleine hölzerne Kähne für maximal sechs Personen plus Bootsführer, welcher am Ende des Gefährtes vor einem riesigen offenen Automotor ohne Auspuff sitzt. In halsbrecherischer Fahrt geht es unter ohrenbetäubendem Lärm mit vielleicht 50 Sachen den Mekong hinauf. Dieser ist hier einen Kilometer breit, besitzt beängstigende Stromschnellen und Strudel, und ist übersät mit Treibholz vom Ästchen bis zum ausgewachsenen Baum.

Übersieht der "Kapitän" auch nur ein mittelgroßes Stück Holz, so zerschmettert es das ohnehin völlig überlastete Nussschälchen. Dies ist auch der Grund für die vielen verheerenden Unfälle jedes Jahr, und wir hätten das Höllending nicht bestiegen, gäbe es Alternativen außer Schwimmen, zur Grenze zu kommen. Fast zwei Stunden dauerte der Ritt zum Tinitus, und es ging in wilder Fahrt nur Zentimeter vorbei an hunderten, im Wasser stehenden Bäume und Büsche.

Die Ländergrenze nach Laos war äußerst drollig. Auf kambodschanischer Seite hockten zwei Uniformierte, bewaffnet mit einem Stempel, in einer Bambushütte auf einem Inselchen im Fluss und fragten schüchtern nach einem Trinkgeld für's Stempeln von 2 U$. Ich täuschte eine plötzliche Atemnot vor, und schon sank der Preis um die Hälfte. Hätte Claudi bei Verkünden der Summe auch nur eine Träne angedroht, ich bin sicher, es wäre kostenlos gegangen.

Alsdann fährt man erneut mit einem Kahn über den Fluss nach Laos. Nach Erreichen des ersten laotischen Dörfchens suchten wir vergeblich nach einer offiziellen Stelle. Erst beim Verlassen des Ortes stößt man auf ein Holzhüttchen, wo wir die beiden Grenzbeamten beim Spiel störten. Mürrisch forderten auch sie 1 Dollar für's Stempeln, wir fragten, ob sie den kein Gehalt bekämen, zahlten letztlich jedoch zähneknirschend den erpressten Betrag, ein Zurück gibt's ja nicht.


Laos:

Erstes Ziel im neuen Land waren die 4000 Inseln. Der Angriff darauf erfolgte nach einer Nudelsuppe, in der mehr tote Ameisen als Nudeln schwammen. Ein Umstand, der uns durch ganz Laos in wirklich jedem Essen folgte, und der forthin als unsere neuentdeckte Proteinquelle galt.

Der gewaltige Mekong geht hier im Süden Laos' in ein breites Delta über. Zwei Hauptströme umschließen an die 4000 Inseln verschiedenster Größen, wobei nur die beiden größten ständig bewohnt sind. Zu sehen gibt's da eigentlich nichts Besonderes, man wohnt zusammen mit den Familien in einer eigenen Bambushütte für 1 Dollar pro Nacht. Es spricht hier keiner der Einheimischen Englisch, und so genießt man die herrliche Szenerie, bestaunt die Fischer, wie sie von einem nur 50 Zentimeter breiten und 6 Meter langen Holzkahn stehend, mit Netzen fischen (wir hatten schon mit dem Sitzen alle Mühe, nicht zu kentern!) und saugt am besten all diese Bilder ins Gehirn auf, auf dass sie dort ewig abrufbar bleiben mögen.

Fünf Tage blieben wir, unternahmen kleine Fahrrad- und Wandertouren und hockten an den Abenden zusammen mit einer handvoll anderer Globetrotter auf den auf Stelzen stehenden Bambusterrassen über dem Fluss - bei einem vorzüglichen laotischen Bier. Laos gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, und so kümmert sich auch Deutschland hier um Entwicklungshilfe. Sie spendierten das know how und die Technologie zur Herstellung dieses hervorragenden Bieres. Endlich mal Entwicklungshilfe !!

Die ganze Herrlichkeit dieses Landes offenbarte sich uns, je weiter wir vordrangen. Auf unserem Weg ins Landesinnere sahen wir unberührte Natur, malerische Dörfer und geradezu überfreundliche, herzliche Bewohner. Einziges Minus für Kleinliche, die zum Teil grottigen Hotels/ Pensionen. Claudi zählte mitunter zig Wanzen- und Flohbisse, und nur mit Mühe unterband ich einen ausbrechenden Wettbewerb, wer "Mehr" hat.

Die Zeit scheint hier 200 Jahre zurückgeblieben. Die Flüsse dieses extrem wasserreichen Fleckchens Erde sind stets die Lebensadern der Dörfer und Städtchen. Hier wird gefischt, gebadet, gewaschen und transportiert. Alles findet auf eine Art statt wie im Europa des späten Mittelalters.

Die Laoten sind im Bezug auf körperliche Arbeit die wohl mit Abstand müdesten Asiaten. Sie schlafen scheinbar überall, immer und in den unmöglichsten Positionen. Stehend, sitzend, in der Hocke oder in Bussen auf dem völlig fremden Nachbarn liegend. Körperkontakt ist überhaupt kein Problem, und es wird an keiner Stelle als störend empfunden, wenn man sich schon nach der ersten halben Stunde Busfahrt ermattet entgegensinkt. Das asiatische Sprichwort," die Vietnamesen pflanzen den Reis, die Kambodschaner sehen zu, und die Laoten hören, wie er wächst" trifft es wohl im Kern. Ich betrat einmal ein kleines Postamt, um etwas zu erfragen. Der uniformierte Postbeamte lag hinter dem Schalter auf dem Boden und wurde erst wach, als ich die Nationalhymne pfiff. Er lächelte, ich fragte, er antwortete, alles sehr freundlich, jedoch er blieb ungerührt liegen. Sabaidee- lai la, auf Wiedersehen.

Laos ist berühmt für sein Kunsthandwerk. Insbesondere die Herstellung und das Verweben von Naturseide ist hier zur Perfektion ausgeprägt. Die herrlichen, farbenprächtigen Seidentücher, Schals, Röcke und Teppiche entstehen wie vor hundert Jahren auf primitiven Webstühlen aus Bambus. Die Frauen sitzten Stunde um Stunde unter den aufgestelzten Häusern im Schatten und weben in kleinen Gruppen singend und schwatzend. Bis zu zwei Monaten benötigen sie für ein großes, üppig verziertes Seidentuch. Ein unglaublicher Aufwand für unsere deutschen Zeitmaße mit einem am Ende fast lächerlichen Preis.

Wir setzten in Pakse, einer sonst wenig bedeutsamen Kleinstadt, auf die Insel Don Ko über und wanderten mit unseren Rucksäcken durch die wie an einer Perlenschnur am Flussufer aufgefädelt stehenden Hütten. Die Bewohner liefen zusammen und bestaunten uns, wir bestaunten das Weben und die so wunderschönen Stoffe. Stolz zeigten sie uns alles detailiert, und so kauften wir natürlich einige Tücher als schöne Erinnerung.

Ganz Asien und ganz besonders Burma, Laos und Thailand sind von einer mächtigen Spiritualität beherrscht. Überall finden sich Tempel, Pagoden und Altäre. Jedes auch noch so kleine Dorf unterhält seine eigene Pagode (immer in Verbindung mit einer Art Kloster) mit jeweils einer beachtlichen Anzahl von Mönchen. Diese widmen sich fast ausschließlich der Meditation und dem Gebet. Jeden Morgen 5 Uhr kommen sie barfuß und stets in leuchtend Orange gekleidet, in langer Prozession in die Städte und Dörfer, um nach Almosen und Spenden zu bitten. Sie tragen zu diesem Zweck metallene, verzierte Töpfe vor dem Bauch, und die Bewohner geben ihnen nach kurzem Gebet auf der Straße ein paar Lebensmittel.

Es ist üblich, dass vornehmlich die Jungen, teils auch Mädchen einer Familie zur Ausbildung für einige Wochen, Monate oder auch Jahre ins Kloster gegeben werden. Sie leben dort nach strengen Regeln der Enthaltsamkeit (ähnlich des katholischen Zölibates), sind aber nach Ablauf ihrer "Zeit" wieder frei und heiratsfähig. In größeren Ortschaften sind es leicht hunderte Mönche, die allmorgendlich nach Essensgaben ausschwärmen, und man muss sich die enorme Belastung für die meist wirklich arme Bevölkerung vorstellen, welche diese Jungs mit durchfüttert.

Wir besuchten auf unserer Reise durch Laos zig Pagoden, Tempel und Klöster, und obwohl sie sich alle weitestgehend glichen, waren sie doch immer auf's Neue faszinierend mit ihren üppig vergoldeten Firsten, Kapitellen und Ornamenten. Die Laoten leben ihre Religion. Laufen sie an einem der auf der Straße oft auch im Miniformat stehenden Tempel oder Bhudda vorbei, so werden stets die Handflächen aneinander gelegt und sich kurz verneigt.

Die besten Preise beim Einkaufen erzielt man zum Beispiel am Morgen. Der ersten Verkauf des Tages gilt als göttliches Zeichen für die Entwicklung des restlichen Tages, und so gibt man großzügige Preisnachlässe, um den ersten Kunden schnellstmöglich zum Kauf zu überreden. Sind Geld und Ware getauscht, so berührt der Verkäufer all seine Waren mit den Banknoten, und der Käufer faltet die Haende über dem Erworbenen.

Auch ist es in Asien üblich, völlig unbefangen an den mitunter mitten im öffentlichen Leben umherstehenden Bhuddas zu beten oder sein Schicksal mit Hilfe eines speziellen Buches oder geschüttelter Stäbchen zu befragen. Zum ersteren stellt man sich im Angesicht Bhuddas still eine Frage, hält dabei eine Art Buch aus langen, an Schnüren aufgefädelten Palmenblättern über den Kopf und steckt "blind" ein Stöckchen zwischen die Seiten. Ein kundiger Seher liest alsdann den symbolschweren Text dieser Seite vor und interpretiert entsprechend das, was auf den Probanden so zukommen wird.

Ich hatte mich für die zweite Form der Befragung entschieden und schüttelte, mir selbst Fragen stellend, einen Becher voller nummerierter roter Bambusstäbchen. Zu den Nummern der durch's Schütteln herausfallenden Stäbchen gehört eine Art hölzerner Setzkasten. Unter den entsprechenden Nummern findet man ein Zettelchen mit ebenfalls inhaltsschwerem Text, und man erfährt, wie es denn so weitergeht. Ist man nicht zufrieden mit dem Ergebnis oder droht gar Schlimmes, so darf man es gleich noch einmal versuchen. Mir prophezeite ein kundiger Herr viele Kinder, ein langes Leben, und dass mich meine Feinde bald lieben werden. Klasse Nummer für'n Anfang, oder!

Die Hauptstadt Vientiane ist klein und flach. Die höchsten Häuser haben vier Stockwerke, und die Straßen sind voll von Mopeds, Fahrrädern, Karren und Autos. Das chaotische Gewimmel, scheinbar ohne jede Ordnung oder Regel, funktioniert ohne Störung. Trotz dass nicht genau zu erkennen ist, ob man hier nun Rechts- oder Linksverkehr pflegt, sahen wir nicht einen Zusammenstoß. Erwähnenswert ist auf jeden Fall, was hier in Südostasien alles und wie transportiert wird. Das Moped und das Fahrrad nehmen bei der Effizienz hierbei die Spitzenplätze ein. Rekord auf einem (!!!) Moped waren 4 Erwachsene, ein Kleinkind, stehend auf einem der Knie, und ein Fernsehapparat auf dem Lenker.

Auf einem Fahrrad kam uns ein alter Mann mit zwei Doppelbetten entgegen. Er war sehr langsam, aber er fuhr! Lustig zumindest für uns war eine ausgewachsene Sau, in einen Bambuskorb gepfercht, auf dem Rücksitz eines Mopeds. Man könnte Fotoserien schießen von diesen Transportakrobaten, jedoch immer, wenn eine solche Fuhre vorbeibalanciert, ist man nur noch fasziniert und staunt.

Die Stadt hat einige Tempel, schöne französische Kolonialarchitektur und einen riesigen Marktplatz. Hier gibt's so ziemlich alles zu kaufen, und es ist immer wieder ein spannendes Schauspiel, wie Kunden und Verkäufer feilschen und prüfen und sich zu einer Einigung diskutieren. Die schon beschriebenen Seidentücher finden sich hier in der ganzen Pracht.

Der mächtige Mekong-River trennt hier Laos von Thailand. Auf der einen Seite tausende Lichter und Modernität, auf der anderen beschauliches Treiben wie vor hundert Jahren, sieht man von den Autos und Motorrädern mal ab.

Eine laotische Kräutersauna war die Abschiedsfete für uns von dieser Stadt, wenn man uns dort auch leider 50 Euro geklaut hat. In einer löchrigen, auf Stelzen stehenden Bretterbude haben die "Bademeister" eine Holzbox gezimmert, unter welcher ein großes Wasserfass über dem Holzfeuer steht. Der entstehende Dampf wird über ein Ofenrohr in die Holzbox geleitet, und damit auch wirklich alles gesund ist, mengt man Kräuter in das siedende Wasser. Über den Diebstahl war die Betreiberin selbst so betrübt, dass sie uns 20 Dollar "Schmerzensgeld" schenkte. Dies entspricht der gesamten Einnahme von vielleicht 2 oder 3 Tagen. Wir waren gerührt. Die Laoten sind eigentlich ein ausgesprochen ehrliches Volk. Das Diebesschwein stahl uns das Geld aus der Hosentasche in einem finsteren Winkel des Raumes. Gelegenheit macht eben auch hier Diebe. Andererseits ist es völlig üblich, sein gesamtes Geld in einer Plastiktüte sichtbar an den Marktstand zu hängen.

Es gibt hunderte kleine Stände auf den Bordsteinen, an welchen man für einen kleinen Aufpreis alte Geldscheine gegen neue tauschen kann. Man liebt das Neue! Lediglich die Mathematik ist im Land ein schwieriger Pfad. Adam Ries wurde in Annaberg im schönen Sachsen geboren, und das ist nun von Laos wirklich zu weit weg. Wir holten etwas Geld in Luang Prabang am Schalter der dortigen Bank mit unserer Geldkarte. Die Gebühr der Bank war nach Verhandlung drei Prozent der Summe, die wir brauchten. Ich kämpfte hart mit dem Bänker, der trotz des Taschenrechners auf irrige Summen kam. Nachdem auch sein Chef sich am Problem versuchte, zeigte ich ihnen den Rechenweg auf dem Taschenrechner. Die Gesichter zeigten ein zufriedenes breites Grinsen, den Sinn der Prozenttaste auf dem Rechner hatte man erst jetzt begriffen. Gleiches widerfuhr uns nochmals in einer anderen Stadt. Ohne Taschenrechner ist auch der Straßenhändler aufgeschmissen. Selbst kleine einstellige Beträge werden nur mit elektronischer Hilfe addiert. Die Rechnung in einem Restaurant stimmt wirklich nur selten.

Von Vientiane aus holperten wir mit dem Bus nach Osten in die "Ebene der Krüge" nahe der vietnamesischen Grenze. Hier findet man auf großen Flächen verteilt hunderte riesiger steinerner Krüge auf den sattgrünen Wiesen liegen. Die kleinsten wiegen so um die 600 kg, die großen bringen's auf stattliche 6 Tonnen. Vor wohl 2500 Jahren dienten sie vermutlich als Gräber oder Urnen, genaueres konnten die Archäologen bisher nicht enträtseln. Die Laoten haben hierzu ihre eigene Erklärung: Alle 1000 Jahre treffen sich hier in der Gegend Riesen zu einem Saufgelage. Sie sitzen auf den umliegenden Bergen und benutzen die bis zu 5 Meter langen Gefäße als Becher.

Zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte die Gegend um Phonsavan zusammen mit zwei weiteren nahe Vietnam gelegenen, als die Amerikaner hier in den 1970ern mehr als 2,2 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen hatten, um die Nachschubwege für die kämpfenden Nordvietnamesen entlang dem berühmten Ho Chi Minh-Pfad zu zerstören. Das sei wohl mehr, als im zweiten Weltktrieg auf Deutschland fiel. Wie auch immer, überall sieht man die Narben zu Hunderten in den Hügeln ringsum.

Die Hinterlassenschaften der Amerikaner prägen auch das Stadtbild in Phonsavan. Die Reste der Bomben, Raketen und Geschosse sind überall als Zaunsäulen, Futtertröge oder Pflanzbeete zu sehen. Viele tausend Blindgänger liegen überall in der Gegend umher und warten auf ihre Opfer. Die Kinder werden in der Schule zum Umgang mit diesen Scheußlichkeiten unterrichtet, und dennoch gibt es fast monatlich neue Opfer. Reisbauern kommen beim Arbeiten auf dem Feld ums Leben, Wasserbüffel fliegen beim Grasen in die Luft. Eine handvoll Hilfsorganisationen, darunter auch Deutsche, arbeiten seit Jahren an der Auffindung und Entschärfung dieser UXO genannten Todbringer. Arbeiten die Jungs im bisherigen Stile weiter, so dauert es noch über 50 Jahre, bis die kontaminierten Gebiete gesäubert sind. Die USA lehnt eine aktive Beteiligung an der Beseitigung dieses Erbes vehement ab. Dies sei Entwicklungshilfe!

Die Straßen nach Norden sind unsicher. Bewaffnete Gangster bzw. Rebellen (wer weiß das schon genau!) richteten erst letztes Jahr zwei Blutbäder an. Sie überfielen zwei öffentliche Busse und raubten die Mitreisenden, zumeist Einheimische, aus und töteten insgesamt 47 Menschen, darunter auch zwei Schweizer Radfahrer.

Wir fuhren entlang der berüchtigten Straße Nr. 13 (!), krochen im Schrittempo die sich endlos windende Bergstraße empor, und die atemberaubende Landschaft vermochte uns nur bedingt abzulenken. Oft war die Straße durch unzählige Erdrutsche kaum noch passierbar, und jedesmal, wenn der Bus klappernd und scheppern stoppte, erwartete man den Ärger. Zwei ledrige Laoten stiegen mit Maschinengewehren zu und fuhren ein Stück mit. Auch auf den Straßen und in den Dörfern sahen wir während der Fahrt immer wieder Freunde der Kalaschnikow. Wir durchstriffen den Norden des Landes ohne nennenswerte Zwischenfälle, sahen das liebliche Luang Prabang (die alte Königshauptstadt), herrliche wilde Karstgebirge und außergewöhnlichste Landschaften. Von einem Dörfchen an der Straße Nr. 7 in Nong Kiew nahmen wir uns ein Boot und fuhren eine Stunde flussaufwärts nach Nam Noen. Ein kleines Dorf, erreichbar ausschließlich per Boot und eingebettet in steil aufragende Kalksteinberge, umschlossen von dichtem, undurchdringlichem Urwald. Kein Strom, Wasser nur manchmal aus dem Brunnen, Bambushütten und fröhliche Menschen.

Wir wanderten eines Morgens los, bepackt mit dem Notwendigsten, um eine zweitägige Wanderung durch den Dschungel zu unternehmen. Ein Australier, der Laos und China per Fahrrad erkundete, schloss sich uns an, und mit einer selbstgezeichneten groben Karte nach Angaben eines Bewohners und Kompass zogen wir los. Vorbei an einer tief in den Berg hineinreichenden Kalksteinhöhle, in der das ganze Dorf während des Indochinakrieges mehr als 10 Jahre gewohnt hatte, durch sattgrüne Reisfelder hinein in ein uriges Flusstal.

Für mehr als fünf Stunden wateten wir durchs Flusswasser stromaufwärts. Nach etlichen Umwegen und aufgeweichten Füßen stießen wir schließlich auf ein kleines Dorf mitten in den Bergen. Es führte nur ein schmaler, völlig verschlammter Pfad dorthin, und die Bewohner starrten uns an, als hätten sie Weiße noch nicht oft gesehen. Die Kinder liefen uns kreischend nach, und wir blieben für einige Minuten im Dorf sitzen. Die Nacht wollten wir hier bleiben, um am nächsten Tag weiterzu maschieren, fühlten uns jedoch etwas unwohl, da das halbe Dorf um uns herum stand und nur glotzte. An dem Zustand schien sich so alsbald auch nichts zu ändern, und man war noch nicht mal beim Pinkeln allein. Es war bereits spät am Nachmittag, zurück zum Ausgangspunkt sind's mehr als 3 Stunden straffer Marsch im knöcheltiefen Schlamm, und unsere Füße waren vom ewigen Barfußlaufen aufgeweicht. Da das Interesse der Dorfbewohner jedoch nicht abnahm, entschieden wir, zurück zu gehen. Spät in der Nacht erreichten wir unser Startdörfchen nach reichlich zehn Stunden Marsch.

Claudi hatte sich ein paar Kratzer am Fußknöchel zugezogen, welche sich hier in den Tropen rasch entzündeten und zu tiefen eitrigen Wunden wurden. Wir laborierten noch Wochen am geschwollenen Fuß umher, bis wir die Entzündung endlich loshatten. In den Tropen wächst sich ein simpler aufgekratzter Mückenstich schnell zu einer ernsthaften Infektion aus, und man muss selbst kleinste Verletzungen sofort desinfizieren und abdecken.

Im äußersten Norden erkundeten wir die Gegend unmittelbar entlang der Grenze zu China wieder einmal motorisiert. Der Pensionsinhaber ließ sich für 5 Dollar überreden, uns sein Moped einen Tag lang zu leihen. Er ist Chinese, und hält man einem solchen wertvolles bedrucktes Papier vor die Nase, so ist das wie beim Pavlowschen Hundeversuch! > Die wilde Berglandschaft war unbeschreiblich schön. Wir trafen auf entlegene Dörfer, in denen die Bewohner noch in vollständiger Tracht umherlaufen, und standen schließlich am Übergang nach China in Mong Xing. Unterwegs ging dem Moped zwar die Puste aus, jedoch nach dem Zerlegen des völlig vermoderten Vergasers klappte es mit der Wiederbelebung und Weiterfahrt.

Der Entschluss zur weiteren Route war schnell gefasst, noch einmal zurück nach Luang Prabang 10 Busstunden südlich von uns, um von dort mit dem Boot den Mekong entlang zurück nach Thailand zu kommen. Zusammen mit 8 weiteren Unerschrockenen charterten wir eines der typischen langen schmalen Holzboote und tuckerten zwei Tage lang gemächlich stromaufwärts. Die viel zu winzigen Holzbänkchen verlangten unseren verwöhnten Ärschen alles ab. Schon nach der ersten Stunde zeigten sich die Gesichter schmerzverzerrt, und es wurden alle möglichen Sitzhaltungen erfolglos versucht. 22 (!) weitere harte Stunden lagen vor uns. Der Bootsführer hatte mit den beängstigenden Stromschnellen und Strudeln alle Mühe, das Boot ächzte und knarrte und kam oft gegen die starke Strömung nur im Schrittempo vorwärts. Nach einer Nacht in einem Dörfchen an der Strecke erreichten wir spät abends den Grenzort. Die Grenze selbst war schon geschlossen, und so genossen wir unseren letzten Abend in Laos wehmütig.

Bei laotischem Bier und gegrillten Vogelkücken sahen wir hinüber auf die andere Seite des Flusses. Morgen früh werden wir mit einer Fähre in drei Minuten hundert Jahre zurücklegen. Laos wird uns fehlen. Die Grenze nach Thailand, zurück ins 21. Jahrhundert, passierten wir am nächsten Morgen ohne Probleme. Ein Bus über Chang Rai nach Chang Mai ganz im Norden des Landes war schnell gefunden, und wir genossen sogar den plötzlich wiederentdeckten Komfort. Platz für die Beine, ohne dass man die Ohren zwischen den Knien hatte, ringsherum Fenster mit Glas und ohne Achsenbruch entspannt zum Ziel.

Chang Mai zeigt sich als modernes Städtchen, etwas nervös und hektisch durch die zigtausend Mopeds, Fahrräder, Tuk Tuks und Pickups, alle unterwegs nach irgendeinem Geschäft, aber aufgeräumt und organisiert. Die Stadt ist auch touristisches Zentrum hier im Norden und liegt eingebettet in grüne Hügellandschaft, üppig und sonnig. Man kann hier mehrtägige Trekkingtouren unternehmen, Elefantenreiten und alle denkbaren Sportarten betreiben, oder aber wie wir ziellos durch das schöne enge Stadtzentrum schlendern und sich von einer Straßenküche zur nächsten deliziös durchessen. Lediglich der Qualitätssprung des Bieres ging nach unten los, und wir fühlten uns an's Hartmannsdorfer Bier der späten 1980er erinnert.

Mit einem geliehenen Moped häckelten wir uns durch die thailändischen Verkehrsartisten und erkundeten Stadt und Umgebung. Nach einigem Suchen beschafften wir uns die Flugtickets ins sagenumwobene Mandalay in Burma (85,- U$) , schließlich waren wir hier ja nur zum Zwischenstopp ins nächste Abenteuer. Am 09. September bestiegen wir schließlich eine kleine zweimotorige Maschine der Air Mandalay. Tschüss Thailand, tschüss Versace an jeder Ecke, Hände falten zum Dank und tschüss dem steten Krampf, die Mundwinkel oben zu halten.


Burma/Myanmar:

Das Flugzeug war gerade mal halbgefüllt, und am frühen Nachmittag ging es hinauf in einen gewitterschweren Himmel. Nur eineinhalb Stunden später endete der Blindflug 50 km außerhalb von Mandalay. Nichts außer Graslandschaft einer sich ausbreitenden flachen Ebene weit und breit. Die Passkontrolle im großen und völlig leeren Terminal muss das Ereignis der Woche gewesen sein. Es war weit und breit kein Flugzeug zu sehen, und die handvoll Menschen verlor sich in den großen leeren Hallen. Es schien, als erwarte man hier noch den ganz großen Ansturm. Einziger Weg, die 50 km in die Stadt zu gelangen ohne zu laufen, war ein Taxi. Die geforderten unverschämten 9 Dollar ließen sich nicht verhandeln, und so blieb uns nichts übrig, als in den klapprigen uralten Toyota zu steigen und zu hoffen, dass wir bei den gewaltigen Sprüngen von Schlagloch zu Schlagloch nicht durch den Boden brechen.

Das geheimnisvolle und geschichtsbeladene Mandalay ist die zweitgrößte Stadt nach Yangon mit über einer Mill. Einwohner. Sie ist laut, staubig und erfüllt vom Geschrei der Pickupfahrer, die nach Kunden suchen. Tausende Fahrradrickschas säumen die Straßen, Geschäft reiht sich an Geschäft, hunderte Straßenküchen auf Kisten, Kartons und Bambus dampfen vor sich hin, und in die Luft mischt sich zum Abgas der qualmenden Gefährte der Geruch von fritierten Hühnerfüßen.

Jeden Abend gab es teils schweren Gewitterregen, und die ohnehin katastrophalen Straßen waren knietief überflutet. Dennoch besitzt die Stadt eine eigenwillige und aufregende Atmosphäre. Manche der Straßenstände waren komplett im Wasser. Die Menschen schien das nicht im geringsten zu stören. Dabei muss man wissen, dass oft die gesamte Familie in den offenen Bambushütten nachts auch schläft. Die Kinder badeten in der braunen Brühe, daneben wird das Auto gewaschen, und an gemauerten Bottichen auf den Bürgersteigen waschen Frauen und Männer in langen Röcken sich und ihre Wäsche. Alle sind vergnügt und fröhlich, und beim Anblick von uns Langnasen kommt auch aus dem finstersten Loch ein, hello, where are you from...

Nahezu alle Männer tragen hier knöchellange Röcke. Das sind zu einem großen Schlauch zusammengenähte Stoffe aller möglichen Farben, die mit einem Knoten vor dem Bauch geschickt befestigt werden. Watet man durch's Straßenwasser, so wird dieser hochgerafft, spielt man auf dem Gehweg Fußball (...äußerst beliebt bei allen!), so bindet "Mann" den Rock zu einer Art kurzen Hose. Überhaupt sind die Burmesen geschickte Improvisateure, jedoch immer nur so weit, dass es gerade noch so funktioniert.

Eine absolute Volksseuche ist das Kauen der leicht narkotisierenden Betelnuss. Sie sieht aus wie eine Muskatnuss, wird in kleine Stücken gehackt und in ein mit etwas gelöschtem Kalk bestrichenes Betelbaumblatt eingewickelt. Das etwa daumengroße Päckchen schiebt der Kenner alsdann in die Wangentasche (...der Experte, oder besser Junky!, nimmt gleich zwei!). Man kaut darauf herum, und das entstehende Alkaloid tut seine Wirkung. Wirklich ekeliger Nebeneffekt ist ein extremer Speichelfluss, und da der Genießer den blutroten Saft nicht schluckt, spuckt er alle zwei Minuten einen großen Schwall auf den Boden. Alle Wege, Plätze und Straßen sind voll von dieser Sauerei, und in "Fußgängerzonen" stellt man zumeist ohne Erfolg Spucknäpfe auf. Die Zähne werden schnell tiefrot und später schwarz, und so ist das stets zu sehende Lächeln der Burmesen auch immere ein Blick in einen schwarzroten Steinbruch. Die selbstbewusste Frau schätzt diesen Genuss erst ab schätzungsweise fünfzig, sonst gibt es für den Gebrauch der Betelnuss keine Altersbeschränkung. Es kaut sie in Burma jeder.

Mit einer Fahrradrickscha -Triwshaw- genannt, bei der man Rücken an Rücken in einer Art Beiwagen sitzt, ließen wir uns für ein paar Pfennige durchs Zentrum fahren. Am ersten myanmarischen Abend gab's dann gleich eine Vorführung der exotischen Küche. In einer mit Neonlicht gleißend beleuchteten Art düsteren Doppelgarage servierte man uns marinierte Bambusspitzen, Indische Trompeten ( ...eine Art herzhafte, sechskantige, mit Kernen gefüllte Bohne!), Curry, Lamm und jede Menge noch nie gesehener Gemüse und Pasten. Bei chinesischem Tee und zwei Tonnen Reis etwas gewöhnungsbedürftig für unsere Gaumen, aber für den Essensforscher ein Paradies.

Die Abendgestaltung in Myanmar ist schwierig, da ständig der Strom ausfällt und oft für Stunden ausbleibt. Es wird jetzt in der Regenzeit schon um sieben Uhr stockdunkel, und es braucht einige Übung, die ohnehin meistens düsteren Kneipen und Teestuben, welche dann oft nur mit einer Kerze beleuchtet sind, zu finden. Mit Glück watet man durch's warme, inhaltsreiche Straßenwasser, ohne in einen der unzähligen Gräben und Löcher zu fallen und hockt bis zehn bei Tee und manchmal leiernder Musik.

Ach ja, Musik. Alle uns Europäern bekannten Hits gibt's hier auch! Auf burmesisch. Ob Pink Floyd oder Elvis, Metallica oder REM, vor nichts macht man halt. Der Gipfel der Blasphemie war "Love of my live" von Queen in Landessprache. Der als Kellner arbeitende 10jährige entging nur knapp meinem Fluch (..in meiner Landessprache!) und brachte mir vor lauter Schreck meinen 178. Tee des Abends. Die Leute hier sind die wohl am leidensfähigsten überhaupt.

In der sengenden Hitze einer der nächsten Tage schipperten wir in das nur 30 km flussaufwärts gelegene Mingun. Vor mehr als tausend Jahren als Königshauptstadt gedachte Stadt am Fuße einer Hügelkette direkt am Ayerwadyfluss. Eine riesige Basis, aus Ziegelsteinen gemauert, zeugt schon von weitem davon, dass der damalige Herrscher hier Gewaltiges vorhatte. Die Basis ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von über 50 Metern, welcher einst eine glockenförmige Stupa mit insgesamt 140 Metern tragen sollte. Das Bauwerk wurde nie vollendet, und so kann man heute über eine Treppe und jede Menge Bauschutt, die durch das letzte große Erdbeben 1975 stark zerstörte, sakrale Ruine barfuß (!) besteigen.

Barfuß ist übrigens immer oberstes Gebot beim Betreten von solchen Stupas und Pagoden im gesamten Südostasien. Teils stehen diese Bauwerke auch auf hohen Bergen, und man nähert sich dem Erleuchteten (...in jeder dieser Anlagen hocken ein oder mehrere Bhuddas!) über endlose Treppenstufen ausschließlich barfuß.

Berühmt ist Mingun auch durch die größte, nicht gerissene Glocke der Welt. Sie hängt hier an einer mächtigen Stahlkonstruktion in Augenhöhe, und man kann für ein paar Pfennige mit einem von einem 9jährigen ausgeborgten Holzknüppel die über 90 Tonnen zum Klingen bringen. Ansonsten findet man hier wie im gesamten Land abertausende Stupas. Jede Anhöhe, jeder Berg, Ebenen - überall findest du die zumeist vergoldeten, der Form einer überdimensionalen Tischglocke ähnelnden Heiligtümer.

Von Mandalay aus entschieden wir uns, nach Osten zu fahren. Py oo Lwin spricht sich schon klasse, und die Bergstation aus britischer Kolonialzeit verspricht angeblich Interessantes. Letzters blieb zumindest uns verborgen, dafür genoss ich eine tolle Lebensmittelvergiftung von irgendwelchen gegrillten Froschaugen oder so, und auch sichtbar (!) erleichtert zog es nicht nur mich fort von hier. Trotz erheblicher Ausfälle schleppten wir uns am Nachmittag des Folgetages hinaus, um dieses etwas freudlose Städtchen zu verlassen.

Dummerweise begingen wir den Fehler und sagten unserem "Hotelier" auf sein Fragen hin, dass wir weiter nach Hsipaw wollen. Die Mafia funktionierte daraufhin prächtig, und so nahm uns keiner der zahlreichen LKW und Pickups mit. Selbst als wir mit einem Pferdewagen etwas außerhalb der Stadt erneut unser Glück versuchten, schien jeder der Fahrer schon Bescheid zu wissen und winkte stets, schon ohne Fragen abzuwarten, ab. Alsbald offerierte uns dann ein "Helfer" eines der hoffnungslos überteuerten Taxis, und so läuft das organisierte Touristenmelken perfekt. Entweder ein preiswerterer LKW am nächsten Morgen, dann aber eine weitere teure Nacht im grottig modrigen Hotel mit dem klangvollen Namen "Grace", oder der Aderlass mit dem Taxi. Fast perfekt! Mit schon leicht geschwollenen Halsschlagadern und Ideen für eine Konterrevolution gruben wir dennoch ein erträglich teures Taxi aus und verließen burmesisch Neapel, auch um dem schmierigen, zahnlosen Hotelier nicht noch einmal sehen zu müssen. Was sind schon 14 Dollar für 180 km.

Vorbei an der wohl zweithöchsten Eisenbahnbrücke der Welt (...keine Angst, ist von Briten gebaut!) holperten wir die förmlich zerbombte Straße durch steile Schluchten und sich endlos windende Serpentinen, hindurch durch sattgrünen Dschungel. Nach knapp 4 Stunden erreichten wir Hsipaw. Auch colonialbritisch geprägt, sieht man sozusagen als Begrüßung den in jeder burmesischen Stadt von den Briten errichteten Glockenturm. Zu jeder vollen Stunde ertönt ein Glockenspiel. Die Frage, welches Thema Verwendung fand, erübrigt sich, natürlich bimmelt hier der "Big-Ben-Song". So wahnsinnig Aufregendes gibt's hier nicht zu sehen, natürlich zig Pagoden aller Größen, liebliche Dörfchen aus den allerorts typischen Bambushütten auf Stelzen und eine traumhafte Reisfeldlandschaft am Fuße der bis fast 2000 Meter hohen Berge. Wir wanderten den ganzen Tag durch die skurile Landschaft, und die wirklich herzliche Dorfbevölkerung lud uns trotz ihrer teils verzweifelten Armut immer wieder zum Tee ein.

In Burma rauchen nahezu alle, und ganz besonders gern eine aus Palmenblättern gerollte Zigarre. Sie heißt Cheroot, ist grün und wie ein langer Trichter handgerollt. Zumeist Frauen sitzen den ganzen Tag auf dem Boden zusammen und stellen sie her. An guten Tagen rollt jede der Frauen mehr als tausend dieser Delikatessen, und kaufen kann man sie später für ein paar Cents an jeder Ecke im ganzen Land. Nach der zweiten Einladung zur Cheroot zog ich mit bleichem Gesicht weiter, den Schwur im Hals, nie mehr als eine pro Tag zu schmauchen, und wir kehrten zurück in unser chinesisch geführtes Gästehaus.

Auf dem Weg weiter durchs Land ins weltberühmte Bagan, mehr im Westen des Landes, blieben wir nochmals zwei Tage im schönen Mandalay. Ein Natfestival tobte unweit der Stadt. Nats sind Geister, die in den Bäumen und rings um die Behausungen der Leute "leben" und insbesondere die heiligen Stätten vor Bösem beschützen. Ihnen zu Ehren gibt es in vielen Städten alljährlich diese schrill bunten und furchtbar lauten Volkspartys. Es ist ein großer Rummelplatz mit unzähligen Marktständen, Gauklern und improvisierten Tanztempeln. In letzteren spielt Livemusik aus traditionellen Instrumenten, zumeist Percussions. Ein schrilles schmerzhaftes Scheppern von Glocken, Rasseln und Gongs scheint stets eine folgende Harmonie anzukündigen, jedoch ein alsbald einsetzendes, schräges Xylophon zerstört dann jede Hoffnung auf Wohlklang in westlichem Sinne. Zum für unsere Ohren absolut disharmonischen metallischen Lärm kreischt ein in der Mitte des Raumes auf einem Podest stehender Mann und geiselt sich selbst. Die Methodik dabei ist vielfältig, einzig der Anblick tut immer gleich weh. Ein Bündel brennender Kerzen versengt ihm minutenlang Gesicht und Arme, er lässt die Flammen in seinen geöffneten Mund schlagen und scheint in einer Art Trance den Schmerz nicht zu spüren. Die Luft ist erfüllt vom sich steigerndem Lärm und dem Geruch verbrannter Haut, und die Selbstpeinigung wird ab und zu unterbrochen durch in die Mitte laufende Gläubige, die sich mit gesenktem Haupt und einer Hand voll Blumen wohl eine Art Segen holen.

Hunderte Bettler säumen die Straßen, Krüppel und Kranke stellen ihre Leiden für Geld zur Schau, es ist eine Szenerie wie im Europa des 15. Jahrhunderts. Unzählige Männer lassen sich auf der Straße tätowieren , und der Zustand der primitiven Gerätschaften zusammen mit den selbstgemischten Farbmixturen lässt für die "Verschönerten" eher Schlimmes ahnen.

Zu einiger Berühmtheit gelangt ist eine aus 10.000 Teakholzstämmen gefertigte Brücke nordöstlich Mandalays. Schön zu sehen ist das Bauwerk mit seinen 1,2 Kilometern Länge und dicht bevölkert mit Händlern, Anglern und jungen Leuten, die stundenlang mit Begeisterung von der Brücke ins Wasser springen, ist der einstige Glanz vor hundert Jahren noch spürbar.

Ein Minibus von der Größe eines Mercedes Sprinter brachte uns zusammen mit weiteren achtzig !!! Leuten nach Bagan. Das Auto war derartig überfüllt, dass jeder auch nur denkbar freie Zentimeter im Inneren des Busses und auf dem Dach mit Menschen aufgefüllt wurde. Die Fahrt dauerte über 12 Stunden, es goss mitunter in Strömen, und die eigentlich nicht vorhandene Straße war oft so überflutet, dass das Wasser immer wieder in den Bus lief. Eine sehr erlebnisreiche Fahrt, die unsere Hochachtung für die Menschen auf dem Trittbrett und dem Dach in Bezug auf ihre Leidensfähigkeit weiter steigerte.

Übrigens, da alle Männer hier im Land knöchellange Röcke tragen, ist eine Pinkelpause stets etwas besonderes. Sie hocken sich oft in einer Reihe an den Straßenrand und übersäuern so gemeinsam den Boden. Wenn alles sonst in Myanmar auch oft chaotisch scheint, beim Pinkeln kann man fast von deutscher Ordnung sprechen. Ausgerichtet in einer Reihe, Blick geradeaus, eine wirklich lustige Technik.

Bagan ist ähnlich des schon beschriebenen Ankor in Kambodscha eine der mit Abstand größten religiösen Stätten unserer Erde. Einst waren hier dicht auf dicht mehr als 40.000 Stupas und Pagoden von der Größe einer Gartenlaube bis zu den Ausmaßen von Notre Dame Paris errichtet. Jeder herrschende König hielt es für geboten, eine Stupa für sich errichten zu lassen. Der Wettbewerb brachte dann schnell Prunk und Pracht, und so entstand diese Herrlichkeit. Viele verschwanden in den zurückliegenden 2000 Jahren, jedoch sind die noch Verbliebenen mehr als viertausend Bauwerke wirklich atemberaubend. Eine mysthische Szenerie, besonders bei Sonnenaufgang, zeigt sich dem Betrachter, wenn man eine der Stupas erklettert und auf einem geschichtsschweren, gemeißelten Stein sitzend diese surreale Atmosphäre einsaugt.

Mit einem Pferdewagen und später mit dem Fahrrad durchquerten wir die folgenden drei Tage diesen immer wieder neu spannenden Ort und konnten uns gar nicht trennen. Ist der Besuch des goldenen Landes Burma für Asieninteressierte ein Muss, so ist es Bagan in jedem Fall.

Einer der größten Seen des Landes ist der Inle-See. Er hat die Größe vielleicht des Bodensees, ist nur 3 Meter tief, und ringsum leben die Intha - die Menschen vom See - mitten im Wasser in Pfahlhäusern. Alles wird mit dem Boot erledigt. Es gibt schwimmende Märkte, die uniformierten Schulkinder fahren mit dem Boot zur Schule, und selbst der für hier typische Anbau von Tomaten erfolgt völlig unabhängig vom Festland auf tausenden, hunderte Meter langen schwimmenden Pflanzbeeten.

Der "Knaller" jedoch ist die einmalige Paddeltechnik. Um das mit einer Hand gehaltene langstielige Paddel schlingt der Kapitän ein Bein und paddelt mit geschickter Drehung vorwärts. Hierzu steht er auf dem verbleibenden Bein am äußersten Ende des ca. 6 Meter langen schmalen Holzkahnes und wirft mit der freien Hand ein Fischernetz aus oder holt es ein. Es bleibt für uns ein Rätsel, wie diese Jungs dieses Balancekunststück so mühelos meistern.

Eingebettet in die auch hier an die 2000 Meter über NN liegenden Shanberge liegt der am Abend spiegelglatte See mit seinem klaren Wasser märchenhaft. Hunderte Jahre alte Teakholzkloster finden sich in den Dörfern, und nachdem wir den See für einen Tag mit einem gecharterten Boot befuhren, unternahmen wir die folgenden Tage lange Fahrradtouren und ausgedehnte Bergwanderungen ringsum den See. Unser Vorhaben, von hier aus direkt nach Süden weiterzufahren, scheiterte an den Restriktionen der burmesischen Regierung, die es Ausländern und auch Burmesen verbietet, riesige Gebiete des Landes zu bereisen.

Myanmar löste erst kürzlich Afganistan vom ersten Platz in der Welt ab und ist nun mit mehr als 2.400 Tonnen/Jahr reinem Opium und Heroin der weltweit größte Produzent. Über China und Thailand wird der "Schnee" über bestens ausgebaute Highways in die Welt geschwemmt. Nahezu der gesamte Osten entlang der Grenze zu Thailand dient dem Anbau des Schlafmohns. Nach der Blütezeit ritzen die Bergbauern die reifen Blütenkapseln an, eine weiße Milch läuft heraus und verkrustet. Die Bergbauern sammeln dieses Rohopium genannte Zeug ein und eine der vermutlich einflussreichsten Mafias unserer Erde holt, unter den Augen der kräftig geschmierten und involvierten Regierung Burmas, die Basis für das große Geschäft ab. Es wird noch in Burma in modernen Raffinerien zu reinem Heroin und transportiert. Über die eigens zu diesem Zweck errichteten Autobahnen beginnt der Weg bis nach Frankfurt, Madrid, New York und überall. Der Industriezweig ist mittlerweile so gigantisch, dass jede Eindämmung oder Kontrolle eher unmöglich scheint.

Die Militärdiktatur besitzt die absolute Macht im Land und drangsaliert ihre zum Teil in elendsten Bedingungen lebende Bevölkerung in übelster Art. Ähnlich der Methodik der Staatssicherheit in der DDR werden Telefonate abgehört, kommen Briefe aus dem Ausland nur geöffnet beim Empfänger an und werden suspekte Burmesen auch auf Verdacht oft jahrelang unter üblen Bedingungen inhaftiert. In Myanmar ist es gesetzlich manifestiert, Menschen auch ohne Gerichtsverfahren oder erwiesene Schuld bis zu sieben Jahren in Untersuchungshaft zu nehmen. Tausende Menschen vegetieren in den in jeder größeren Stadt zu findenden Gefängnissen vor sich hin, werden gefoltert und zerstört. Jeder Anflug von Widerstand wird grausam unterdrückt, und wir hatten das Glück, mit einigen Malträtierten über ihre Erlebnisse zu sprechen. Dies natürlich immer geheim und im Flüsterton. Wir fühlten uns im Bezug auf die Methoden dieser menschenverachtenden Regierung einmal mehr an die Machenschaften der DDR erinnert. Hier sozusagen die Hardcoreversion mit Zwangsarbeit in Ketten.

Unser Weg führte uns weiter in den Süden des Landes entlang der erlaubten Routen nach Bago. Ein typisches burmesisches Städchen, welches wir uns durch zwei symphatische Trishawfahrer per Fahrrad erklären ließen. Besonders sehenswert ist zwischen der ehrwürdigen schönen britischen Kolonialarchitektur und den goldschweren Pagoden ein liegender Bhudda. Dem Gigantismus eines Königs 1000 Jahre vorher verdankt die Stadt den 55 Meter langen und 16 Meter hohen, mit Diamanten, Rubinen und Gold schwer beladenen Koloss. Allein die sengende Hitze in dieser trockenen, staubigen Stadt dörrte uns förmlich aus, und unsere spindeldürren kleinen Radfahrer waren wirklich nicht zu beneiden, unsere europäischen Gewichte durch die Straßenkrater zu stemmen.

Weiter im Süden, in Hpa- an und Thaton, kannte man Weiße wohl nur aus der Zeitung. Die Leute blieben bei unserem Anblick auf der Straße stehen, Kinder flohen schreiend hinter die Röcke ihrer Mütter, und wurde man uns gewahr, so holte man in wilder Hast schnell Familie und Angehörige aus dem Haus, um die Sensation allen zu gönnen. Wir hätten Geld fordern sollen. Jeder, der auch nur zwei Worte englisch beherrschte, näherte sich uns freundlich lächelnd und bewies mit "...which country, name, name?" den Umherstehenden seine Sprachgewandtheit. Kaum saßen wir in einer der im ganzen Land zu tausenden auf der Straße stehenden Teeshops, füllte sich diese schnell mit einer staunenden Menge. Nur Minuten brauchte es, dass die ganz Unerschrockenen an unserem Tisch Platz nahmen und mit Spannung verfolgten, wie wir unseren Tee umrührten, miteinander sprachen oder mit einem der überall gleichen winzigen Plastikinderstühlchen zusammenbrachen. Wir ulkten herum, brachten sie mit unseren 10 gelernten Sätzen Burmesisch zum Lachen, und durch das Absingen eines deutschen Volksliedes zum Staunen.

Die meisten wissen, dass Deutschland irgendwo unerreichbar auf unserem Planeten liegen muss. Was sich aber ganz besonders in den Köpfen mit Deutschland verbindet, sind Hitler und die Ruinen des Dritten Reiches. Besonderer Beliebtheit erfreut sich dabei der Stahlhelm der Wehrmacht, verziert mit Hakenkreuzen und Reichsadler, und hunderte Mopedfahrer tragen ihn. Goebbels muss ein Wochenende in Burma verbracht haben, es gelang uns jedenfalls nicht, die Ursache für diese Verehrung herauszufinden.

Das Goldene Land ist also berühmt für die goldenen Stupas und Pagoden, aber auch für den "Goldenen Stein". Ein vollständig vergoldeter riesiger Felsbrocken, welcher auf der Spitze eines hohen Berges an einer Felskante zu balancieren scheint. Es ist der wohl wichtigste Pilgerort des Landes, und jeder Bhuddist sollte einmal in seinem Leben seine Stirn an die mittlerweile angeblich 15 Zentimeter dicke massive Goldschicht gedrückt haben. Ein rostiger Eisenzaun, gesichert mit Fahrradschloss, schützt die Herrlichkeit nachts, und tags wacht ein vielleicht 80jähriger Wächter auch darüber, dass keine Frauen das heiligste Revier betreten.

Wie der Stein, so werden auch unzählige Bhuddafiguren im ganzen Land täglich mit Blattgoldopfern durch Gläubige belegt. Man kauft sie von den sich zu Schaaren vor den Pagoden und Stupas sammelnden Händlern, kniet sich alsdann zum Gebet vor den Erleuchteten und übergibt das auf Papier geklebte, etwa 2 mal 2 Zentimeter große Plättchen an einen kundigen Diener. Dieser befestigt es an einer langen Bambusstange und reicht es dem nächsten, der schon mit gewichtiger Miene vor Bhudda auf dem Podest steht. Er reibt das Gold dann auf eine Stelle seiner Wahl an der Bhuddafigur, und ein Dritter schlägt dazu hysterisch auf eine schwere Messingplatte, deren schriller Klang die Spende weithin verkündet. Die drei "Angestellten" Bhuddas erhalten selbstredend auch noch ein Scheinchen, und so lässt sich das persönliche Seelenheil am intensivsten, aber auch teuersten erkaufen.

Wir sahen Bhuddafiguren, die im Laufe der Jahre so dick mit Gold belegt wurden, dass die eigentliche Gestalt der Plastik nicht mehr zu sehen ist. Am Inle-See waren es nurmehr drei unförmige Bälle. Eine ebenfalls besonders bedachte, goldschwere Bhuddafigur findet sich in der Swendagon-Pagode in der Hauptstadt. Nach Schätzungen wiegt die vielleicht 3 Meter hohe, hohle Messingfigur jetzt schon 55 Tonnen. Jeder pflichtbewusste Bhuddist opfert. Es sind Blumen, Cola, Zigaretten und Früchte. Die Ärmsten opfern Wasser. Jeden Tag werden frische Opfer auf die Altäre platziert und mit hunderten Räucherstäbchen drapiert. Eine lebendige, farbenprächtige Religion, die ihre Anhänger offenbar nicht mit haufenweise Restriktionen belegt. Man kann die Qualität seiner Reinkarnation scheinbar etwas selbst beeinflussen. Keine Opfer zu Lebzeiten heißt dann wohl Wiederkehr als Wurm, Ameise oder bestenfalls Hund, Blattgold ab und zu sollte erneut zum homo sapiens sapiens reichen.

Nach der Fahrt auf der Ladefläche eines Pickups erreichten wir den südlichsten Punkt unserer Reise durch Burma-Mwawlamyne, vorbei an ansatzlos aus der Ebene wachsenden hohen Karstbergen. Ausländern ist auch hier ein Weiterfahren strikt verboten, und durch die ständigen Kontrollen während der Busfahrten, die stets auch mit der gesamten Räumung des Busses einhergehen, wohl auch unmöglich. Für die 250 Kilometer lange Fahrt nach Yangon benötigten wir mit dem Landbus später mehr als 16 Stunden. Dieser raste mit 20 Sachen über das Trümmerfeld der einst vorhandenen Straße, und unsere Plätze auf der letzten Bank kamen einer Bestrafung gleich. Wir flogen zusammen mit dem Gepäck im Bus umher und widmeten uns tags darauf erst einmal unseren blauen Flecken.

Wie die Einheimischen diese Zustände und die rüde Behandlung durch die Offiziellen alltäglich lächelnd ertragen, ist schwer begreiflich. Wir waren hier im Urlaub, haben für hiesige Verhältnisse ein Leben im Paradies, doch mitunter zehrte es doch an unseren Nerven. Die Burmesen sind hingegen unbegrenzt geduldig und lächeln auch nach solchen (Tor-) Touren noch aus ihren staubig verschwitzten Gesichtern. Wir nahmen uns fest vor, ein wenig dieser Eigenschaft mit uns selbst zu versuchen. Ein wirklich hartes Training.

Die Hauptstadt Yangon ist für burmesische Verhältnisse supermodern. Es gibt mächtige Gebäude mit Säulenportalen, und die Briten haben es sich zu Zeiten der Besetzung hier wirklich gemütlich gemacht. Große Parkanlagen, Golfplätze und Segelteiche künden noch heute, wenn auch etwas vergammelt, von der einstigen Pracht. Es fehlte an Nichts. Leider hat der Umstand, dass in den vergangenen 70 Jahren an der Erhaltung der Anlagen nichts getan wurde, und das heißfeuchte Klima mit scharfem Zahn an der Bausubstanz frisst, den Empireglanz längst verblassen lassen. Viele der prachtvollen Fassaden sind vollständig übermoost, und bei einer großen Zahl der Gebäude werden nur noch die Erdgeschosse für Geschäfte oder Schlafhöhlen benutzt. Es gibt sogar einen Stadtbus auf verschiedenen Linien. Ein etwa 50 Jahre alter Oldtimer mit hölzernem Aufbau. Sie sind zumeist brechend voll und fahren zum Ein- und Aussteigen lediglich langsam. Nur selten halten sie.

Die Geschäfte in der Stadt bieten alles, was das Herz begehrt, und die Metropole Burmas wirkt im Vergleich zum Rest des Landes geradezu hyperentwickelt. Pagoden und Tempel erzeugten bei uns mittlerweile einen Grad der Sättigung, und so verzichteten wir auf weitere Besuche der auch hier zahlreich und berühmt anzutreffenden Touristenmagneten. Das enorme Monument der Swendagon-Pagode war auch von außen beeindruckend genug.

Wir schlenderten durch die verschiedenen Stadtteile und blieben viele Male in einer der "Teestuben" auf dem Bordstein hängen, welche das Stadtbild überall im Land prägen. In zumeist winzigen, düsteren, schwarzen Löchern im Erdgeschoss der Gebäude wird auf einem offenen Holzkohlefeuer ständig Kaffee oder Tee gekocht. Kinder sind oft die "Kellner" dieser Geschäfte und verdienen für die Familie 300 Khyat am Tag (burmesische Währung, entspricht ca. 30 Cent) dazu. Durch lautes Schreien der Bestellung in Richtung des qualmenden, verrußten Küchenloches erscheinen die Teestuben immer unheimlich geschäftig, und es ist in der Tat ein Kino, einfach nur da zu sitzen und dem Treiben zuzusehen. Man sitzt auf den schon erwähnten winzigen Kinderstühlen 30 Zentimeter über dem Boden an einem ebenso winzigen Tischchen. Die Masse eines deutschen Hinterns wirkt für dieses Moebel meist zerstörerisch, lediglich unsere mittlerweile mehr als vier Monate andauernde unfreiwillige Reisdiät verhalf uns zu unfallfreier Handhabung.

Ich hatte mir einen Longui - den ultimativen Männerrock - gekauft und quälte mich redlich, sittlich zu sitzen. Bei jedem Aufstehen stand einer meiner Füße mit Sicherheit auf dem Rocksaum, und ich entblöste unfreiwillig meine geheimsten Stellen zur großen Freude der Einheimischen.

Unser Einmonatsvisum zählte nur noch 3 Tage, einen Flug über Bangladesh nach Indien hatten wir erstanden, und so verließen wir das wirklich ganz ganz besondere Land mit Wehmut und der Hoffnung, dass sich die Menschen ihre unglaubliche Herzlichkeit erhalten, auch dieses Volk bald seine Freiheit vom Joch der militanten und korrupten Militaers erreicht, und der mit Sicherheit alsbald explodierende Tourismus diese unvergleichliche Kultur und den Lebensstil der Burmesen nur wenig stört.

Am 6. Oktober brachte uns eine etwas verwahrloste Fokker 28 nach 4 Stunden Verspätung und einer Landung, bei der mich, hätte ich mit dem UL nur annähernd Gleiches geboten, mein damaliger Fluglehrer Heinz Storch aus dem Cockpit gebrüllt hätte, nach Dhaka in Bangladesh. Myanmar bleibt einzigartig auch in unserer Erinnerung und wir hoffen, dass uns die vielen geschossenen Fotos die einmaligen Eindrücke auch visuell konservieren werden.
 

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