Das ist die Hanniballer-Version meines „Eltern- und
Familienangehörigenberichtes“. Sollte ich irgendwo vergessen haben, die
persönlichen Details rauszulöschen, dann lest doch bitte
liebenswerterweise einfach drüber...
Hallo Ihr Lieben,
es ist nun inzwischen drei Monate her, dass ich diese Mail begonnen
habe. Eigentlich wollte ich sie auch gleich abschicken, aber Geld-,
Strom- und Gelegenheitsmangel sorgten immer wieder dafür, dass diese
Mail erst jetzt bei Euch ankommt.
Nach drei Monaten könnte ich alles überarbeiten, weil einiges schon
nicht mehr aktuell ist. Ich habe mich aber entschieden, alles so stehen
zu lassen und einfach alles, was später passiert ist, hinzuzufügen. So
ist das jetzt kein Brief mehr, eher eine Art Tagebuch, mit einem Haufen
von Gedankensprüngen (und weil ich jetzt – Juli – auf einer englischen
Tastatur schreibe, auch hier und da ohne Umlaute). Ich hoffe, der
Gedanken- und Buchstabenwirrwarr ist nicht allzu gross.
(Ende Maerz)
4 Monate gingen vorbei wie im Fluge und es wird wirklich Zeit für
eine länger-als-161-Zeichen-Mail. Die Zeit rast und es gibt inzwischen
so vieles zu berichten. Doch womit anfangen? Am besten ist es
wahrscheinlich, mit dem Aktuellsten zu beginnen und dann einfach mit
Euch durch die Zeit zu springen...
Zimbabwe befindet sich in einer schwierigen Situation. Ich weiss
nicht, was in den deutschen Medien über die politischen
Auseinandersetzungen hier berichtet wird, aber ich nehme mal an, dass
sich das mit britischer oder amerikanischer Nachrichtenübermittlung
deckt. Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, ob ich Euch über die
politischen Machverhältnisse hier aufgeklärt habe. Zum besseren
Verständnis nur nochmal ganz kurz: Es gibt eine Regierungspartei ZANU PF
und eine Oppositionspartei MDC. Diese Oppositionspartei ist sehr sehr
westlich orientiert und ihre Führungsgestalt Morgan Tsvangirai bittet
vor allem um finanzielle Unterstützung seines Kampfes um den „großen
Stuhl“ und bekommt diese auch und zwar vor allem von Großbritannien und
den USA. Um Mugabe von seinem Regierungsstuhl zu kicken, würde MDC alles
tun - so wurde u.a. Südafrika aufgefordert, keine Energieressourcen mehr
zur Verfügung zu stellen (denn wenn die Leute hier im Dunkeln sitzen,
werden sie ihr Kreuzchen das nächste Mal sicherlich an der „richtigen
Stelle“ machen) oder man bat um Unterstützung für eine (bewaffnete)
„Revolution“, was bei den meisten Einheimischen auf keine große
Begeisterung stößt.
Vor einigen Wochen gab es in Harare (Hauptstadt) Krawalle, verursacht
durch MDC-Anhänger. Dabei wurden mehrere Häuser zerstört und
Nicht-MDC-Anhänger bedroht bzw. verprügelt. Daraufhin verhängte die
Polizei ein totales Demonstrationsverbot für alle Parteien oder
politischen Organisationen (einschließlich ZANU PF) in den Stadtgrenzen
von Harare. Eine Woche später maschierte die Oppositionspartei MDC zu
einer nichtgenehmigten Demonstration in Harare auf, erklärte das ganze
zu einem „Prayermeeting“ (Gebetstreffen) und setzte sich damit über
polizeiliche Verfügungen hinweg. Am gleichen Tag wurde ein ZUPCO-Bus
(staatliches Busunternehmen) überfallen und eine Trauergesellschaft, die
auf dem Rückweg vom Friedhof war, einschließlich einer schwangeren Frau,
verprügelt, weil die Trauernden nicht an der MDC-Demonstration
teilgenommen hatten.
Während ein amerikanischer Radiosender (den wir hier hören können)
von einem nichtprovozierten Gewaltausbruch der Polizei gegenüber den
MDC-Demonstranten berichtete, heißt es laut offiziellen staatlichen
Nachrichten, dass die Polizei provoziert und mit Waffen bedroht wurde,
bevor diese dann zuschlug. Britische und amerikanische Nachrichten sind
zum Teil sehr widersprüchlich und von dem zerstörten ZUPCO-Bus bzw.
einer Benzinbombe (Molotowcocktail), die zwei Tage später in einer
Polizeistation explodierte und zwei Polizistinnen schwer verbrannte,
wurde kein Wort erwähnt. Im Gegenzug berichten die Nachrichten in
Zimbabwe nichts über Verletzungen der Oppositions-gebets-demonstranten.
So ist es schwierig ein Bild davon zu bekommen, was wirklich passierte.
Nach den Zusammenstößen in Harare gab es mehrere Brandanschläge mit
Molotowcocktails auf (vor allem) Polizeistationen quer verteilt im
ganzen Land. Morgan Tsvangirai erklärte, dass sie Präsident Mugabe im
Notfall (d.h. wenn er nicht freiwillig geht - und es sieht nicht danach
aus) eben mit Gewalt aus seinem Stuhl befördern werden. Im Moment sieht
es so aus, als sei es ein Kampf zwischen MDC-Anhängern und der Polizei.
Wir bekommen von diesen ganzen Sachen nur durch Zeitung und Fernsehen
etwas mit.
Doch Politik ist nicht das einzig Weltentrückte hier. Die Preise hier
sind ein Kapitel für sich. Als ich im Dezember ankam, kostete ein Liter
Benzin 2300 ZimDollar. Letzte Woche (Anfang April) kostete ein Liter
Benzin 22000 ZimDollar. Der Brotpreis stieg von 700 ZimDollar im
Dezember auf 7500 Zim Dollar letzten Samstag. Die Preise werden
wenigstens jeden Montag nach oben korrigiert. Das eigentlich verrückte
ist, dass der offizielle Tauschkurs bei konstant 250 ZimDollar für einen
USDollar bleibt, während alle Preise sich am Schwarzmarkttauschkurs
orientieren (17 000 ZimDollar für einen USDollar. Inzwischen ist es zwei
Monate später und auf dem Schwarzmarkt tauscht man 60 000 ZimDollar für
einen USDollar). Regierung und National Reserve Bank versuchen dem
gegenzusteuern, was aber so gut wie unmöglich ist, so lange sich
diejenigen, die eh schon genug Geld haben, an diesem Zustand bereichern.
So z.B. bekommen Tankstellenbesitzer „foreign currency“ (USDollar), um
Benzin zu Weltmarktpreisen einzukaufen und dieses zu offiziellem Kurs,
nämlich 250 ZimDollar, zu verkaufen. Das passiert aber eben nur zum
Teil, weil die Regierung wegen Geldmangels nur einen Teil der Kosten
übernimmt. So lässt sich am Ende nicht wirklich nachprüfen, ob ein
Tankstellenbesitzer seine eigenen USDollar oder Regierungs-USDollar
einsetzt, um Benzin einzukaufen. Die Dummen sind wie immer die
Endverbraucher und die Verkäufer verdienen sich eine goldene Nase.
Um sich über Wasser zu halten, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Verkauf von Selbstgezogenem (Gemüse), Selbstbesessenem (noch nicht oder
nicht mehr gebrauchter Hausrat), Selbstverfügbarem (eigene Arbeitskraft)
oder Diamanten (die einem nicht selbst gehören). Das Diamantgeschäft war
ein boomendes - Mutare wurde „diamond city“ genannt und zu einer der
teuersten Städte im Land - bis alles was mit Diamantenverkauf zu tun
hatte, illegal wurde. Die Diamantenverkäufer verschwanden von der
offiziellen Oberfläche und Mutare blieb eine der teuersten Städte im
Land.
Reserve Bank Gouveneur Gideon Gono erarbeitete ein Konzept, mit dem
„er“ dem ganzen Wirtschaftabwärtsgehen Einhalt gebieten will. Genannt
wird dieses „Social Contract“ und aufgefordert ist ein ganzes Land
inklusive der Leute, die in diesem leben, die Gürtel enger zu schnallen
und den Schwarzmarkt sich schwarz ärgern zu lassen, indem keiner mehr
die schwarzmarktbepreisten Produkte kauft. Letzteres ist kaum zu
realisieren, da alle Supermärkte (ohne Ausnahme) eben jene Preise
führen.
Inzwischen ist es Samstagabend, morgen ist Ostersonntag und ich bin
in Gedanken bei Euch, versuche mir vorzustellen, wie das Wetter bei Euch
ist, ob der Frühling bereits Einzug gehalten hat und wie viele Ostereier
in diesem Jahr spurlos verschwinden werden... grins... Unsere Ostereier
liegen schön gewärmt unter unserer ältesten Henne im Nest. ;o) Der
Nachwuchs wird am 24. April erwartet. Unser Hühnerprojekt nimmt langsam
Form an. Mittlerweile haben wir 15 Hühner/Hähne in unterschiedlichen
Größen und Altersstufen aus zwei verschiedenen Rassen (Bantamhühner und
gemeine Haushühner, die im wahrsten Sinne des Wortes „gemein“ sind, denn
die gemeinen Haushühner hacken immer auf den Kleinen ´rum). Für mich ist
das ganze ziemlich spannend, hatte ja mit Federvieh noch nicht soviel zu
tun. Wir hoffen, dass sich das ganze für uns auszahlen wird, ist doch
das Hühnerhalten und -verkaufen eine der sichersten Einnahmequellen in
Zimbabwe, da es immer einen Markt für Eier, Eierproduzentinnen (Hennen
;o)) und deren männliche Begleitung (Hähne) gibt, trotz des Geldmangels
in vielen Haushalten. Der Hühnerpreis liegt momentan bei 83000 ZimDollar
für 2 kg zerlegtes und gefrostetes Huhn, das sind ca. 5,50 USDollar nach
Schwarzmarkttauschkurs oder 332 USDollar nach offiziellem
Banktauschkurs. Wir müssen uns nun um eine Unterkunft für die ganze
Hühnerei in unserem neuen Zuhause kümmern. Wir wollen mindestens hundert
Hühner halten, dementsprechend groß muss der Hühnerstall ausfallen.
Und während ich „ausfallen“ schrieb, fiel der Strom aus. Wieder
einmal. In der letzten Woche passierte das fast täglich für ein, zwei
oder 15 Stunden. Glücklicherweise weiß ich inzwischen, wo die
Streichhölzer liegen, denn von einem Moment zum nächsten ist es hier
stockduster (wenn Sonne bereits untergegangen ist natürlich). Wie lange
ein Stromausfall dauert, läßt sich nie vorhersagen. Der oben benannte
dauerte bis heute Morgen (Ostersonntag). Es ist zum Teil schon ziemlich
belastend, zum Beispiel, wenn wir gerade kochen und das Essen ist noch
nicht fertig. Denke oft darüber nach, wie das mit einem mehr als
10-Stunden-Stromausfall in Deutschland wäre. Hier können wir zumindest
noch auf Feuer ausweichen (wenn es absehbar ist), doch wie wäre das in
Chemnitz? Kochen über offenem Feuer im Hinterhof? Und wie so oft fühle
ich, dass ich vieles für selbstverständlich nehme bzw. genommen habe,
was gar nicht so selbstverständlich ist. Kein Strom – kein warmes
Wasser, kein Licht, kein Radio oder Fernsehen. Fällt der Strom nach
Sonnenuntergang (nach 18.00 Uhr) aus, entschließen wir uns meistens, ins
Bett zu gehen. Zum einen, um Kerzen zu sparen, zum anderen, um den
ganzen Crippicrowlings (alles was mehr als vier Beine hat -
Vierbeinspinnen ausgenommen) zu entgehen.
Und eben so oft, wenn etwas nicht so funktioniert wie es sollte,
machen die Leute hier ihre Späßchen über die ganze Kein-Strom-Situation.
So heißt das Unternehmen, das in Zimbabwe für den Strom verantwortlich
ist, nicht mehr ZESA - Zimbabwe Energy Supply Authority (Stromzurverfügungstellende
Autorität in Zimbabwe), sondern hat einen neuen Namen: ZESA - Zimbabwe
Energy Sometimes Available (Manchmaliststromda in Zimbabwe).
Obwohl unser neues Zuhause sehr viel kleiner ist als Eastridge,
freuen wir uns darauf, endlich umzuziehen
Unser neues Zuhause gehört einer alten irischen Dame namens Una, die
in ihrem Leben eine Englisch lehrende Nonne gewesen ist, bevor sie den
Mann ihres Lebens kennenlernte und ihn heiratete. Die beiden gingen vor
sechs Jahren zurück nach Irland. „Una´s Cottage“ stand die letzten vier
Jahre leer. Nur Una´s damaliger Angestellter, Simango, schlief in einem
der Zimmer, um das Haus zu bewachen und sauber zu halten. Er arbeitete
mehr als 20 Jahre für Una und ist „Teil“ unseres Mietvertrages. Für
unser neues Zuhause müssen wir nur die „offiziellen“ Sachen wie
Wassernutzungsgebühren und Grundsteuern zahlen. Ansonsten wohnen wir
mietfrei unter der Bedingung, dass wir Simango als Angestellten
übernehmen.
Unser Haus hat ein Wohnzimmer, ein Eßzimmer, zwei Schlafzimmer, zwei
Toiletten, ein Bad, eine Küche, und eine Garage, von der aus man direkt
in die Küche kommt und es steht auf dem Dach der Welt (in ca. 1900 m
Höhe), zumindest habe ich das Gefühl, denn wir haben eine wunderschöne
Aussicht auf die Chimanimani-Mountains (liegen weiter im Süden von
Zimbabwe). Wenn Ihr im Internet auf der Google-Earth-Seite nachseht,
sucht nach Mutare, geht von dort aus in Richtung Mocambique. Wenn ihr
auf mocambiquanischer Seite einen großen See direkt an der Grenze zu
Zimbabwe (Chicamba-Staudamm) findet, zwischen diesem und Mutare liegt
unsere Hütte (25 km von Mutare entfernt).
Wieder ist eine Woche ´rum, es ist Samstagabend, der 14.04. Die
vergangene Woche haben wir größtenteils in der Stadt verbracht, denn es
gab eine ganze Menge Rechnungen zu bezahlen, mein Visum zu verlängern
und Preise zu vergleichen. Letzteres ist ziemlich schwierig zu händeln,
da sich die Preise meistens von einem zum anderen Tag ändern. Für uns
ist ein Preisvergleich immer wieder notwendig, um ein „Gefühl“ zu
bekommen. Sind wir nämlich mal mehr als 7 Tage nicht in Mutare,
verlieren wir den Überblick. Inzwischen ist der
2kg-Hühnerbeinfleischpreis auf 130.000 ZimDollar gestiegen (und das war
vorgestern), macht 7.65 USDollar. Leider können wir unsere Hühner nicht
davon überzeugen, schneller zu wachsen ;o) Wir könnten einen Batzen Geld
verdienen.
Die letzte Woche war auch wieder geprägt von Stromausfällen.
Insgesamt waren wir seid Montag mehr als 50 Stunden ohne Strom (zwischen
3 und 27 Stunden in one go). Pessimistische Voraussager meinen, dass es
einen Tag geben wird, an dem der Stromausfall kein Ende hat. Momentan
fühlen sich die „Bergbewohner“ benachteiligt, weil das „load shedding“
(zeitweise Stromabschaltungen für einzelne Gebiete, um Strom zu sparen)
nur unsere Vumba-Berge-Region, nicht aber Mutare betrifft.
Uns bleibt nichts weiter übrig als uns darauf einzustellen. Wir haben
Parafinlampen gekauft, um das Geld an Kerzen zu sparen.
Unser Garten ist ein Lebenswerk. Die Regensaison, welche eigentlich
im November beginnt, hat sich um 2 Monate verspätet, und wenn es regnet,
dann meistens anhaltend eine Woche lang. Der Regen ist gut für alles,
was wir gerne wachsen und gedeihen sehen wollen, aber Gras und Unkraut
wachsen dummerweise immer schneller als unser Gemüse.
Normalerweise hat Susie eins, zwei Leute beschäftigt, die für den
Garten und dessen Wohlergehen verantwortlich waren. Die beiden
Zuletztbeschäftigten haben allerdings ihre Arbeit am Ende nicht mehr
wirklich ernst genommen und sind seid Anfang Januar nicht mehr bei uns
aufgetaucht. So haben wir die Hacke und den Spaten selbst in die Hand
genommen und aus unserem hauseigenen „Urwald“ einen halbwegs gängigen
Garten gemacht. Wir haben Bohnen in unterschiedlichster Ausführung und
Farbe, Gurken (Stachelgurken ;o) die vom Aussehen her an einen Kaktus
erinnern), Möhren, Rote Beete, Spinat, Covo, Tsunga und Rape (die drei
Letztgenannten sehen alle ein bissel wie Salatpflanzen aus, werden aber
gekocht gegessen), Senf, Mais, Zwiebeln, Süß- und Irische Kartoffeln,
Erdbeeren, Cherrytomaten, Pecannüsse (schmecken wie Walnüsse, sind aber
dunkelbraun und von der Form her länglich und Streitobjekt zwischen uns
und den gemeinen Gartenräuberaffen – Paviane und Meerkatzen), Kürbisse (Butternut,
Gemsquash und grüne wienormalerweisekürbisaussehende Kürbisse),
Radieschen, Salat, Paprika, Linsen, Garten- und Küchenkräuter (z.B.
Piri-Piri, Petersilie, Koreander, Schnittlauch, Ingwer, Dill, Fenchel,
Meerreddich, Rosmarin, Fenugreek, Knoblauch), Natjees (clementinenartige
Orangenmandarinen), Zitronen, Limetten, Mangos, Bananen und Zuckerrohr.
Und wir haben Schlangen. Cobras und Puff Adders. Susie hat eine Schlange
gesehen, die ca. 4 Meter lang war. Doch meistens sehen wir nur
„Schlangenspucke“. Dreimal Holz!
Nach jedem Regen kämpfen wir wieder mit dem Gras und Unkraut, welches
wächst wie, ja eben wie genau dieses. Es ist eine nichtendende
Geschichte. Teile unseres Grundstücks sind inzwischen mit
görrilängelangem (für alle, die’s nicht wissen, Görri ist mein
„kleiner“, über’n Meter neunzig großer Bruder, der alles das an Länge
bekommen hat, was mir fehlt ;o)) Gras überwachsen, weil wir mit dem Gras
schneiden nicht nachkommen. Da wir keinen Rasenmäher zur Verfügung
haben, müssen wir uns der traditionellen Arbeitsinstrumente bedienen
(was wir eigentlich brauchen ist so was wie ein Mähdrescher), im
Graskürzungsfalle wird das Werkzeug „Slasher“ genannt und besteht aus
einem Stück Metall, das an einem Ende einen Griff zum Dranfesthalten hat
und am anderen Ende etwas gebogen ist.
Der Slasher wird einhändig locker vor dem Körper hin- und
hergeschwungen. Nach fünf Minuten fällt der Arm ab (deshalb ist es
weise, den Slasher nicht in beide Hände zu nehmen, sonst wird das
Zähneputzen schwierig). Als Slashanfänger sollte man sich ein Stück
Wiese aussuchen, welches nicht im nächsten Wettbewerb „Schöner unsere
Wiesen“ teilnehmen soll, denn im Kampf „Unser Gras soll kürzer sein“
passiert es schon mal, dass der Slasher im Graswurzelwerk hängen bleibt
und statt 10 abgehackten Grashalmen ein ganzes Stück Rasen, inklusive
Erdreich, durch die Luft fliegt und wo dieses vorher gewachsen ist, ein
Stück Loch hinterläßt. Für Fortgeschrittene heißt das Ziel „Deutschekleingartenspartewiese“
und für Profis „Englischer Rasen“. Apropos: Manchmal hilft wirklich nur
noch die Schere, um dem Wachstum grüner Halme Herr zu werden, da die von
uns besessene Sichel die Arbeit verweigert und sich einfach nicht halten
lassen will und der Slasher diesem ganz bestimmten
nurmitderscherezubewältigendem Gras nichts anhaben kann.
Im Moment haben wir Simango´s (unser Hüttenvertragsansgestellter)
Sohn als Gärtner für Eastridge unter Vertrag und dieser „slasht“ den
ganzen Tag. Und er hat noch beide Arme. Scheint also alles nur eine
Frage der Übung und der Zeit zu sein.
Wir denken außerdem daran, ein paar Ziegen zu halten, da wir diese
vor allem an die muslimische Gemeinde hier verkaufen können. Und
außerdem rechnen sich diese meckernden „Rasenmäher“ besser. Der Gedanke,
dass ich zur Landwirtschaft als Lebensunterhalt übergehe, läßt mich
manchmal schmunzeln. Könnt Ihr Euch mich als Bäuerin vorstellen?
Unser Waisenkindprojekt in Odzi ist nicht vergessen, braucht aber so
viel Zeit. Drängeln bringt nichts, macht die ganze Sache nur schwieriger
und so versuchen wir einfach, Leute für unser Projekt zu interessieren
und Kontakte für die Vitamin Bs und finanzielle Unterstützer zu
„sammeln“.
Heute ist der 26. April. Die Zeit, die Zeit. Als ich im Dezember
losgeflogen bin, war alles noch so offen. Ich habe mir so viele Gedanken
über meine Zukunft gemacht, nicht wissend, wie es weitergehen wird, ob
wir in Zimbabwe bleiben oder woanders hingehen werden. Letztes Jahr habe
ich mir immer vorgestellt, wie mein Leben in Zimbabwe aussehen würde.
Ich habe es mir vorgestellt anhand der Erfahrungen, die ich hier bereits
gemacht hatte. Doch so einfach ist das nicht und ich verstehe nun, warum
Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungshilfe auf eine längere
Aufenthaltszeit im Entwicklungsland als vorzuweisende Erfahrung
bestehen. Der kulturelle Unterschied ist zum Teil schon sehr immens.
Nehmen wir zum Beispiel Religion. Diese ist hier ein wichtiger
Faktor. Habe bisher noch keinen Nichtangottglaubenden gefunden. Oftmals
habe das Gefühl, dass es einfacher für mich ist, jemandes Glauben an
einen Gott zu akzeptieren als für andere zu akzeptieren, dass ich nicht
an eine übernatürliche Macht glaube. Es mangelt nicht an Versuchen, mich
zum anwelchengottauchimmerglauben zu bekehren und meine Seele zu retten.
Oder das Verständnis von Aberglauben. Bisher habe ich Aberglauben
immer mehr als „alte Volksweisheiten“ oder „Schauergeschichten“
betrachtet, die, naja, eben veraltet und für unsere heutige Zeit nicht
als adequat betrachtet werden können, z.B. die schwarze Katze, die von
rechts nach links laufend Glück und von links nach rechts laufend
Unglück bringen soll (ist das eigentlich ein Sprichwort oder gehört
dieser Spruch in eine andere Kategorie? Und warum keine graue, weisse,
gruene oder blaue Katze? Was war die Grundlage fuer diesen Spruch? Und
was ueberhaupt macht die Katze auf der Strasse?). In Zimbabwe habe ich
gelernt, dass ich anderer Leute Aberglauben besser ernst nehme, da
Aberglauben nicht als solcher, sondern als aktuell wirklich passierend
und sehr realistisch definiert wird (und das Belaecheln eines solchen
mitunter als beleidigend empfunden werden kann). Eulen zum Beispiel, die
einem nach Einbruch der Dämmerung nahe des Hauses um die Ohren fliegen,
stehen nicht für Mäusejäger oder „Weisheit“ (denke da an Onkel Uhu),
sondern für Hexereien oder Hexen, die irgendwo in der Nähe lauern. (Und
alles, was mit Hexen zu tun hat, erhält eine negative Konnotation). Wenn
irgendwas schief geht, dann ist das kein Zufall, dann ist meistens
Hexerei im Spiel. (Manchmal kriege ich ‘ne Gänsehaut, wenn ich mir
vostelle, dass jemand vor unserem Fenster im Gebüsch sitzt und auf eine
Verhexgelegenheit wartet.)
Ich vermisse Euch und fühle mich manchmal schon ganz schön hin- und
hergerissen. Es gibt Zeiten, da würde ich gern zur Hexe (grins) mutieren
und mit meinem „Rusero“ (traditioneller, flacher, Korb = Küchenutensil,
z.B. zur Durchschüttelung und Säuberung von Mais) zu Euch fliegen (habe
dabei das Bild von Baba Jaga in ihrem Trog und mit ihrem Besen steuernd
vor Augen). Laut lokalem Aberglauben könnte ich das locker in einer
Stunde schaffen. Vermisse es, mit Euch zusammenzusitzen und zu
quatschen. Doch ich möchte auch nicht weg von hier, trotz aller
Schwierigkeiten. Es ist ein völlig anderes Leben.
Es gibt keine innere Stechuhr. Wenn wir Verabredungen mit anderen
Leuten treffen (z.B. dem ältesten Sohn unseres unmittelbaren Nachbarns,
um die Funktionstüchtigkeit unseres Wassersystems zu überprüfen),
vereinbaren wir afrikanische (meistens plus eine Stunde) oder deutsche
(pünktlich) Zeit. Meistens wird es afrikanische Zeit.
Unser Wassersystem in Eastridge müssen wir jeden Tag überprüfen und
meistens brauchen wir ein bis zwei Stunden dafür. Wir bekommen unser
Wasser aus einem Bach, der den Berg hinter unserem Haus hinunterfließt.
Unser Wassersystem besteht aus einer Vielzahl von Rohren, inklusive zwei
Wassercheckpoints. In letzteren gilt es die Filter von Dreck und
Blättern zu säubern und, wenn notwendig, das Wasser durch die Rohre zu
pumpen (entweder mit der Hand oder mit einem Gummirohrentstopfer). Mit
unseren Nachbarn ist das so eine Sache, denn diese sind der Meinung,
dass wir das nicht jeden Tag machen müßten. Und alleine kann ich nicht
in den Urwald hinterm Haus, weil Susie mich nicht läßt (wegens Schlangen
und „Böser Mann“). So waren wir mehrmals schon für eins, zwei Tage ohne
Wasser (besonders schlecht für die Toilettenbenutzung) und um das ganze
„fett“ zu machen, fällt dann meistens auch noch der Strom aus. Das sind
dann die Momente, in denen ich darüber nachdenke, ob ich diesem Leben
hier wirklich gewachsen oder doch schon zu sehr durch den deutschen
Luxus verwöhnt bin und nicht mehr ohne
Vierundzwanzigstundentoilettenspülungsundlichtanundausschaltmöglichkeit
zurechtkomme.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, mit dem Geld, was wir zur
Verfügung haben, zurechtzukommen. Wie weiter oben bereits beschrieben,
ändern sich die Preise täglich und der Wert unseres Geldes verfällt
schneller als wir Pläne über das Ausgeben machen können. Selbst nach
fünf Monaten ist der Gedanke für mich erschreckend, überhaupt kein Geld
zur Verfügung zu haben. Doch Geld im Hause oder in der Bank zu behalten,
ist wegen der Inflation nicht ratsam. Besser ist es, unser Geld in etwas
zu investieren, das den Wert behält (Hühner - tot oder lebendig -
Speiseöl und Reis sind momentan die besten Geldanlegemöglichkeiten).
Und wieder einmal machen wir einen Zeitsprung. Inzwischen ist es
Mitte Juni. Bin die letzten paar Wochen nicht zum Schreiben gekommen.
Unser gefiedertes Sparguthaben (aktuell 24 kleine und 3 große Broiler, 4
große, 2 mittelgroße und 5 kleine gemeine Haushühner, 7 große und 2
kleine Bantamhühner, 2 Guineafowls und eine Truthenne) und der Umzug in
unser neues Zuhause haben sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Nun sind
wir nur noch für ein Haus und unserem Mietvertragsangestellten (Simango)
verantwortlich.
Dieser ist etwas angesäuert, seitdem er das Haus als Wohn- und
Schlafplatz verlassen musste. Es scheint, dass er nach vier Jahren
Hüttehüten seinen Anspruch auf unser Haus geltend machen will. Er fällt
Entscheidungen, die nicht mit unseren Plänen übereinstimmen (so hat er
ohne unsere Zustimmung Bäume rund um unser Haus fällen lassen), sitzt
abends schon mal einfach so in unserem Haus, ohne eingeladen worden zu
sein, und ist nicht zum Gehen zu bewegen. Bin gespannt, wie sich dieses
Verhältnis weiterentwickelt. Aber abgesehen von diesen kleinen
Problemchen sind wir überglücklich, endlich in „Upper Vumba“ zu sein.
Keine Malariamoskitos und keine Schlangen mehr. Es ist so still, man
hört nur Vögel und Affen und ab und zu die Nachbarn. Außerdem sind wir
nur noch einen Katzensprung entfernt von allen unseren Freunden hier –
Vince und Alex, Tony und John. Vor allem Vince ist happy, dass wir
endlich umgezogen sind, ist es doch sehr viel einfacher, bei uns
reinzuschneien. John ist unser Mann für alles. Er werkelt an allem was
elektrisch und kaputt ist. Nach seiner Werkelei ist es (immer noch)
elektrisch und ganz. Diese Woche kam er unverhofft und brachte seinen
Rasenmäher, den er reparierte und an unserem Gras ausprobieren wollte.
Zwei Tage später brachte er seinen „großen Rasenmäher“ (funktioniert mit
Benzin), weil der „kleine“ ein langes Kabel braucht (elektrischer
Rasenmäher) und außerdem ZESA (Inziwschenistnochwenigerstromda in
Zimbabwe) außer Betrieb war. Das führte dazu, dass der Rasen rund um
unser Haus jetzt wirklich gut aussieht. Nun müssen wir nur noch die (vom
Hüttenvertragsangestellten und seinem Freund) gefällten Bäume wegräumen
und drei weitere Bäume fällen und wir haben einen überwältigenden Blick
in Richtung Nordwesten, sorry Suedwesten (ist ja alles andersherum..
grins), auf Berge und Täler und einen kleinen See.
Da unsere Hütte die letzten vier Jahre leer stand, sind die ganzen
notwendigen Wartungsarbeiten um einiges zu kurz gekommen. Unser
Wassersystem zum Beispiel braucht eine Generalüberholung. Im Moment
leben wir von Regenwasser und aus Eimern, da kein fließendes Wasser im
Haus. Dieses wird vom Dach in die Regentonne gelenkt, nur dass unsere
Regentonne ca. 3 Meter hoch, 1.50 Meter im Durchmesser und aus Stein und
Zement ist. Wir haben drei von diesen „Regentonnen“ hinter unserem Haus.
Was wir nun brauchen, ist eine Wasserpumpe, die das Wasser vom Bach im
Nationalparkgelände (welches gleich am Fuße – ca. 200 Meter vom Haus –
unseres Grundstücks beginnt) zu unserem Haus pumpt. Gestern (20.06.)
haben wir uns auf den Weg gemacht, um die Stelle auszukundschaften,.wo
die Wasserpumpe von Una mal gewesen ist. (Una’s Wasserpumpe und der
Wasserpumpenantrieb sind mit einem der letzten Mieter umgezogen, der auf
diese aufpassen wollte, bis wieder jemand in „Una’s Cottage“ zieht.
Allerdings stellt sich nun heraus, dass dieser Mensch sehr schwer
erreichbar ist. Oder sein will. Er reagiert nicht auf unsere Anfragen.)
John war mit dabei und Simango wies uns den Weg. Der Pfad zur
Wasserstelle war überwachsen und wir mussten uns unseren Weg
freischneiden, aber am Ende war es ein wunderbarer „Spaziergang“ durch
einen märchenhaften Urwald. An der „Wasserstelle“ fanden wir ein
entdachtes Pumpenhaus aus Ziegelsteinen und in diesem Häuschen fanden
wir eine alte Antriebsmaschine (hergestellt 1948), die dort seit 10
Jahren unbenutzt gelagert hatte. John war Feuer und Flamme und meinte,
dass er diese wieder in Gang bringen könnte - sehr zur Freude
unsererseits, brauchen wir uns doch nun „nur noch“ Gedanken um eine
Pumpe zu machen. Die Wasserstelle ist ein kleiner Staudamm (vier mal
vier Meter) mit nationalparkklarem Wasser. Alles ist mit Bäumen und
Sträuchern überwachsen. Pläne für (mindestens) ein Picknick an diesem
Ort waren schnell gemacht. Und wenn das Wasser erstmal läuft, dann
können wir anfangen, unseren Garten zu beackern und unsere Kräuter und
Gemüse pflanzen. Außerdem spekulieren wir auf eine
Blumenhandelmöglichkeit - auf unserem Grundstück wachsen Proteas
(Nationalblume Südafrika’s, wunderbar schön und wunderbar exotisch).
Jemand hat uns erzählt, dass man eine Protea (weiß gar nicht, ob diese
Blume einen deutschen Namen hat, vielleicht kann Paps ja mal im Internet
checken?) für 20 USDollar verkaufen kann. Kommt mir ein bissel viel vor,
aber vielleicht ist das der offizielle Geldtauschwert. Wir planen eine
Vergrößerung unserer Proteaanbaufläche (vielleicht können wir ja einen
Handel mit unserem Dorotheenstraßenblumenladen eröffnen.. träum...).
Unsere Hütte wird mit jedem Tag wohnlicher, obwohl an den Wänden
immer noch die frische Farbe fehlt. Für die Deckengestaltung (die Vor-
oder Vorvormierter haben die Decken einfach schwarz gestrichen, sehr
dunkel, sehr deprimierend) gibt es mehrere Ideen: Bambus, Stoff
(indischer Style) und/oder einfach Platten aus Plastik, die wir später
überstreichen können. Da das Dach aus einfachem Wellblech besteht, wird
es zum einen ganz schön kalt, wenn die Sonne untergegangen ist, zum
anderen fallen alle möglichen Staub- und Dreckpartikelchen durch und wir
sind nur am Saubermachen. Eine Zwischendecke soll beide Probleme lösen
bzw. eindämmen.
Wenn der Vumbanebel aufzieht (meistens mit der Morgen- und nach der
Abenddämmerung) fühle ich mich wie in einem Edgar Wallace Film. Es
passiert auch schon mal tagsüber, dass es plötzlich total neblig ist und
später sehen wir vom Tal her die Nebelwand weichen. Der Blick ist
einfach unbeschreiblich.
Winter ist kalt in Zimbabwe. Wir haben Bodenfrost am Boden (John
sagte, am Montag waren es -1 Grad Celcius) und unsere Hühner, und auch
ich, haben ständig kalte Füße. Und dabei hat der Winter erst angefangen.
Ist schon komisch, wenn ich mir vostelle, dass ihr jetzt in kurzen
Sachen rumlauft. Und ich hatte gedacht, dass ich nicht so viele Pullover
brauchen werde. Was für ein Irrtum.
(Juni 2007)
Preise steigen weiter ins Unermeßliche. Wenn man nach offiziellem
Tauschkurs (immer noch 250 ZimDollar für einen USDollar) geht, kostet
ein Liter Benzin jetzt umgerechnet 600 USDollar. Einige Tankstellen,
haben den Betrieb schon eingestellt, weil sie das Benzin nicht zu
Regierungspreisen verkaufen wollen/können. Ein toastbrotähnliches Brot
geht für 100 USDollar über den Ladentisch (das war Mitte letzter Woche -
15.06.), ein Liter Milch für 160 USDollar. Die wahrscheinliche
Inflationsrate liegt bei 30 % pro Woche.
Die Schwarzmarkttauschrate stieg von 50 000 ZimDollar für einen
USDollar vor zwei Wochen, auf 120 000 ZimDollar für einen USDollar heute
(21.06.). Geht man von dieser Tauschrate aus, kostet das gleiche
toastbrotähnliche Brot nur ca. 20 Cents und der gleiche Liter Milch nur
30 Cents. Das Dumme für die Leute hier ist, dass sie ZimDollar und keine
USDollar verdienen, und wenn es so wäre, nicht auf dem Schwarzmarkt ihr
Geld tauschen sollen/können. Lohnerhöhungen gibt es selten und wenn,
sind diese der Inflationsrate nicht angemessen. Und trotz alledem, die
Leute scheinen nach wie vor Geld zum Einkaufen zu haben und ich habe
keine Ahnung, wie sie das schaffen.
Gestern ist ein Broilerbaby (naja inzwischen sind es schon Teenager),
wahrscheinlich an kalten Füßen, gestorben. Nun sind es nur noch 23
Broiler, die einem Leben nach dem Suppentopf entgegensehen. Unsere
Eierlegerfraktion (die ganz großen Hühner und die Truthenne) ist heute
zum ersten Mal zur Freigängergruppe mutiert. Nach dem Regen heute Morgen
waren wohl zuviele Würmer unterwegs, um die Hühner in ihrem zugewiesenen
Gehege zu halten. Für mich ist es ein weiterer Schritt im
Hühnerhaltungslernprozess: Lektion 5: unsere Hühner haben ein
Heimatgefühl entwickelt und sind (zumindest heute) nicht am Davonlaufen
interessiert. Unsere Bantamhühner (die Zwerge unter den Hühnern - deren
Eier haben die Größe von Tischtennisbällen, aber dafür sollen sie ohne
Pause Eier legen) sind nach dem Regen aus dem Hühnerhaus durch eine
Ritze ausgebrochen (nur die beiden Größten blieben stecken) und
wanderten umher. Es war das erste Mal, dass sie auf Zuruf (kippkippkipp
- hmm, nachdem ich das geschrieben habe, realisiere ich erst, was ich da
eigentlich immer rufe) folgten. Mit freigehenden Hühnern werden wir
allerdings wachsamer sein müssen, denn die Gefahr lauert in den Wolken
bzw. auf den Bäumen oder im Gestrüpp (Raubvögel - habe am Montag einen
wunderschönen Adler gesehen kreisen sehen - und Wildkatzen). Klingt
vielleicht merkwürdig, aber das alles ist so wunderbar aufregend für
mich.
Zimbabwe ist auf dem Weg in die totale Verrückheit. Die Preise sind
ins Unermessliche gestiegen. Sechs Tage nach meinem letzten Eintrag zu
den Preisen, haben sich diese wieder verdoppelt. Ein toastbrotähnliches
Brot kostet jetzt 50 000 ZimDollar (200 US Dollar) und der
Schwarzmarkttauschkurs liegt bei 220 000 ZimDollar für einen USDollar.
Anfang der Woche hat die Regierung einen Erlass erlassen, dass die Shops
ihre Preise für bestimmte Produkte um die Hälfte reduzieren müssen. Die
Polizei ist nun damit beschäftigt, alle Shops auf eben diese
Preisreduzierungen zu überprüfen und wenn notwendig, Shops um
nichtreduzierungswillige Mitarbeiter und/oder Chefs zu reduzieren, d.h.
diese in Gewahrsam zu nehmen. Die Preisreduzierungen führen allerdings
dazu, dass die Produzenten nicht mehr produzieren, da z.B. alle Zutaten
für ein Brot aktuell ca. 150 000 ZimDollar kosten und das Brot laut
Regierungsanordnung nun für 25 000 ZimDollar verkauft werden muss. So
sehen wir im Moment einer Zeit mit einer Menge nichtvorhandener Dinge
entgegen, weil aus Profitgruenden nicht mehr produziert wird. Ich bin
gespannt, wie das alles endet (und träume von Quark und Käse und
Kraftmabrot.. grins).
Wir haben den 2. Juli und ich, ja ich bin in Mocambique. Seit
gestern. Alles ging ganz schnell und es ist eine verrueckte Geschichte.
Letzten Freitag (29.06.) traf ich Schalk. Ist kein Scherz, er heisst
wirklich so (ausgesprochen: Skalk). Schalk ist aus Suedafrika und
Manager eines Projektes, seines Projektes, in Manica (Mocambique).
Schalk war mit einer Gruppe suedafrikanischer „Highschueler“ in Vumba
und dabei auch in Tonys Cafe unterwegs. Tony knuepfte die Verbindung,
indem er mich in sein Cafe beorderte und in der Zwischenzeit (die ich
brauchte, um dahin zu kommen) wie warme Semmeln anpriess. Schalk war
Feuer und Flamme als er mir von seinem Projekt erzaehlte - und ich
ebenso. Vereinbarungen waren schnell getroffen und am Sonntagmorgen war
ich auch schon auf dem Weg nach Manica, eine Stadt ca. 25 km von Mutare
auf der anderen Seite der Grenze.
Und nun bin ich Teil des „Schalk-Projektes“. Begonnen hatte dieses
vor 4 ½ Jahren mit dem Angebot von Englisch- und Computerunterricht.
Kurze Zeit spaeter kam Sport in Form von Fussball und dazugehoerigem
Club dazu. Nach einer ganzen Weile des Ausprobierens verschiedener Dinge
wird nun ernsthaft investiert. Schalk wird als Projektmanager von der
Universitaet in Johannesburg bezahlt und das Projekt ausserdem
gesponsert. Dieses nimmt in Form eines Clubhauses (mit Unterkuenften
fuer die Spieler des Clubs) und eines Huehner- und Gemueseanbauprojektes
Gestalt an. Die Spieler bekommen Gehalt (50 USDollar im Monat – und
gehoeren damit zu den Besserverdienenden. Zum Vergleich: unser Gaertner
verdient schwarmarktpreisumgerechnet 1,45 USDollar), werden aber dafuer
in alle Arbeiten rund um das Clubhaus und innerhalb des Projektes
eingespannt: Hausbau, Kuechendienst, Gartenarbeiten, Broetchenbacken,
Huehnerhueten etc.
Innerhalb des Clubs gibt es ausserdem mehrere Kids-Teams (Maedchen
und Jungen), welche Volleyball und Basketball spielen. Schalk hatte mich
gestern mindestens hundert Leuten vorgestellt (deren Namen ich so
schnell vergessen habe, wie sie gesagt wurden), unter anderem auch dem
Trainer dieser Kindermannschaften. Der hat mich gleich in Beschlag
genommen und fuer alle Trainingseinheiten verplant, was bedeutet: jeden
Tag (ausser Dienstag und Sonntag) vormittags und nachmittags drei
Stunden. Nun ist Basketball nicht unbedingt mein Lieblingssport, doch
Ball ist Ball und ausserdem erklaerte ich ihm, dass ich gern den „physical
part“ (Konditraining) uebernehmen wuerde. Erste gemeinsam geplante
Trainingseinheit ist am Mittwoch. Bin gespannt was das wird, denn ich
spreche nur drei Woerter Portugiesisch und die Kids sprechen nur drei
Woerter Englisch. Caito, der Trainer, indes war zuversichtlich, dass das
alles sein Gaengelchen gehen wird. Wir werden sehen.
Ansonsten ist die Woche bereits vollkommen verplant: Clubhaus
streichen, Gemuese anpflanzen, Grossinventur im Clubhaus,
Brotbackprojekt in die Gaenge bringen inklusive Erlernens, wie man Baos
(Broetchen die mich ganz sehr dolle an DDR-Broetchen erinnern) im
selbstgebauten Lehmofen baeckt, die Trainingseinheiten mit den Kids und
ein paar Englisch- und Computerunterrichtseinheiten als Lueckenfueller.
Das Wochenende ist reserviert fuer die Kids am Samstag und die
Fussballer am Sonntag.
Wie es aussieht, werde ich wohl einen Monat in Manica verbringen.
Vielleicht ergibt sich daraus ja eine Geldverdienmoeglichkeit. Schalk
verliess die Stadt heute in Richtung Johannesburg und wird Anfang August
zurueckerwartet und dann wollen wir uns ueber zukuenftige Moeglichkeiten
unterhalten.
In der Zwischenzeit habe ich eines von Schalks Zimmern belegt und
muss Geld nur in meine Verpflegung investieren. Die Leute um mich rum
sind alle wunderbar liebenswert und sehr aufgeschlossen. Fuer jedes
meiner Problemchen gibt es einen Ansprechpartner. Und mit allen Dingen,
die ich hier zu tun habe, wird es definitiv nicht langweilig.
So, ich habe heute ein Internetcafe entdeckt und bin fest
entschlossen, diesen Brief morgen zu senden. Ich hoffe, Ihr seid alle
wohlauf und geniesst den Sommer. Werde in der Zwischenzeit einen neuen
Brief beginnen :o)
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Hallo liebe Ellis und alle anderen Briefeleser,
so, wie versprochen beginne ich nun einen neuen Brief (oder
tagebuchähnliches Ding, weiss ja noch nicht, was meinem Hirn so
entspringt.. grins).
Inzwischen bin ich 4 Wochen in Manica, mit 6 Tagen
Zimbabwebesuchsunterbrechung. Ich fühlte mich vom ersten Tag an wie zu
Hause und kann mir das nur damit erklären, dass so viel Sport involviert
ist. Alles, worüber hier geredet wird, ist auf irgendeine Weise mit
Sport (im Manicafall in der Hauptsache mit Fussball) verbunden.
Doch nicht nur das. Schalk ging sicher, dass ich mich hier wie zu
Hause fühle. Als ich hier ankam, zeigte er mir alles in und rund um sein
Haus und meinte nur, ich könne alles nutzen. Wie gesagt zu diesem
Zeitpunkt kannte ich ihn erst 2 Tage. Ich darf in seinem selbstgebauten
Bett (Kopf und Fussende jeweils zwei Baumstämme quer, ein Haufen Bretter
längsweis und oben drauf eine Matratze) schlafen und fühle mich,
zumindest nachts, sicher unter’m Moskitonetz. Denn Moskitos gibt es hier
wie Sand am Meer. Wenn ich auf’s Örtchen gehe und habe kaum meinen
Allerwertesten entblösst, schon sitzen mindestens 5 Moskitos drauf und
machen Party.
Manica ist eine kleine Kleinstadt, von der Grösse her vielleicht mit
Flöha zu vergleichen (ich schreibe immer noch auf einer englischen
Tastatur und habe diese Wörter, inklusive eben dieses, nur benutzt, um
die Tastenkombinationen fär – ups falsche Kombination, meine natürlich
„für“ - für die Umlaute zu üben. Habe bisher gar nicht gemerkt, wie oft
wir diese Dinger, die Umlaute, in unseren Wörtern gebrauchen.) Apropos
Umlaut: Einer von Susie’s Freunden mit Namen Colbert, wohnhaft in
Harare, wollte meinen Nachnamen wissen. Ich habe ihm diesen genannt und
angefügt, dass dieser für ihn wahrscheinlich schwierig auszusprechen sei
wegen des Umlauts. Ich muss immer noch lachen, wenn ich daran denke,
denn Colbert wiederholte meinen Namen und sagte: Wenke Umlaut Bödefeld.
Colbert’s Partner, Impi, sah mich ganz verdattert an, bevor wir beide
losjohlten. Seitdem bin ich für Impi schlicht und einfach: „Umlaut“. Und
das ist nur eine von vielen Geschichten mit meinem Namen. Alle hier (in
Moçambique wie in Zimbabwe) haben ein Problem damit, den Namen Wenke
auszusprechen und ich reagiere mittlerweile auf alles, was auch nur
annähernd danach klingt: Weng, Wing, Wenk, Wengsch, Winkel, Winki oder
einfach nur Vi.
Ich merke schon, das wird wieder ein Gedankensprüngebrief und hoffe
einfach, ihr könnt mir folgen. (Denke gerade darüber nach, nach
Beendigung der Schreibarbeit die Umlaute zu zählen. Verrückt, oder?).
Zurück nach Manica. Es gibt eine Haupt-Strasse, die von der Grenze zu
Zimbabwe (Grenzübergangsstadt heisst Machipanda) nach Chimoio (von mir
geschätzte Grösse: wahrscheinlich Chemnitz) führt. Von dieser
Hauptstrasse gehen viele viele viele Seitenstrassen ab, die in
verschiedene Wohngebiete und zum Markt (3 Seitenseitenstrassen –
Seitenstrassen, die von Seitenstrassen abgehen) führen. Das Zentrum von
Manica besteht aus zwei Banken, ca. 20 Läden, 3 Kneipen, einem grossen
Platz mit Wiese und Bänken und einem Monument in der Mitte, einer Schule
mit Basketballplatz und einem Fussballstadion, „unserem“ Stadion.
Schalks, also auch mein, Haus ist nur 2 Minuten vom Fussballplatz
entfernt, ist also strategisch günstig gelegen. Ihr fragt Euch jetzt
sicherlich, warum strategisch günstig? Das hängt mit der Spielvor- und
nachbereitung der beiden Fussballteams zusammen. Diese nämlich „campen“
die Nacht vor dem Spiel in Schalk’s Haus (meistens das B-Team) bzw. im
Clubhaus (A-Team), zum einen, um das Mannschaftsgefühl zu stärken, zum
anderen (und das ist wahrscheinlich der eigentliche Grund) um die
Spieler von Disco (in Desportivofussballersprache: Dischkoteka),
Alkohol, Frauen und anderem Übel fernzuhalten.
Am Abend vor dem Spiel und am Spieltag werden die Spieler
beabendbrotet bzw. befrühstückt und bemittagessenkocht. Alle hängen
gemeinsam rum und labern einen Haufen Müll, alles in Portugisisch und
Schona/Chimanica, bevor der Coach die Direktive verliest und danach alle
Spieler gemeinsam zum Stadion trotten.
Das Stadion: ist ein Fussballplatz, wie Ascota einen hatte, mit ein
bissel mehr Sitz und Stehgelände, umgeben von einer frischgebauten fast
zwei-Meter-hohen Steinmauer.
Auf der einen Seite des Platzes ist eine Art Lehmklippe (ca. 8-10
Meter hoch), von der man eine Supersicht auf das Spiel hat, allerdings
auch in die untergehende Sonne blicken muss. Auf der anderen Seite sitzt
man fast auf Spielflächenhöhe, hat also nicht so einen guten Blick auf
das Spiel, allerdings sieht man nach dem Spiel auch nicht so zerknittert
(wegens des Augenzusammenkneifens) aus. Das erklärt wohl, warum die
Frauen, so sie denn im Stadion zu finden sind, eher die
Knitterfreifläche bevorzugen (oder weil sie den attraktiven und
durchtrainierten Spielern nahe sein wollen – denn diese haben die
Auswechselbank ebenfalls auf dieser Seite des Spielfeldes).
Wie ihr Euch sicher denken könnt, mache ich mir absolut nichts aus
Knittern und so bin ich immer auf der „Klippe“ zu finden.
Ein Fussballspiel in Manica ist ein absolutes Entertainmenterlebnis.
Es beginnt schon mit der Erwärmung der Mannschaften. Es ist fast wie
Tanzen: Alle Spieler machen zur exakt gleichen Zeit die exakt gleichen
Bewegungen. Dazu wird gesungen, gejohlt oder einfach nur geklatscht. Die
Unterhaltung geht auch während des Spieles weiter. Nach jedem Führungs-
oder Ausgleichstor wird eine der nichtvorhandenen Eckfahnen betanzt. Es
macht einfach totalen Spass den Spielern zuzusehen, zumal unsere Teams
einen guten Fussball spielen. (vor 2 Wochen zum Beispiel gewann unser
B-Team gegen eine ebenfalls starke Mannschaft der Liga 7:0. Nach Tor
sechs „tanzten“ unsere Spieler auch, während sie mit dem Ball auf das
gegnerische Tor zuliefen. Gemein, aber wunderbar anzusehen, weil’s doch
unser Team war.. grins)
Das sogenannte B-Team, welches mit drei oder vier Ausnahmen aus
Spielern unter 20 Jahren besteht, ist „mein Team“. Dieses Team spielt
vierte Liga, Oberliga (?) in Deutschland. Ich trainiere mit diesen Jungs
auf einer Hälfte des Fussballplatzes, während das A-Team die andere
Seite nutzt. Unser B-Team-Trainer heisst Simoes und er stellt sicher,
dass ich als Teil der Mannschaft und nicht als exotisches
Anschauungsmaterial gesehen werde (Simoes ist, denke ich Mitte/Ende 40
und in seiner Art und Weise erinnert er mich ein bissel an Hans Meier).
Das heisst für mich aber auch, dass ich alle Übungen wie alle anderen
Spieler erledigen muss, was nicht immer einfach ist, da diese zum einen
jünger und (schon) immer (noch) schneller sind und zum anderen mit dem
Ball umgehen können, während ich bisher nur versuche, den Ball zumindest
einigermassen unter Kontrolle zu bekommen (was bei geglückten Aktionen
zu Beifallsbekundungen aller anwesenden Spieler führt). Ich habe Spass
ohne Ende, denn ich habe Training mit ’ner Mannschaft schon ganz schön
vermisst.
Wie beim Spiel hat unser B-Team auch beim Training so seine Rituale.
An jedem Trainingstag ist einer aus dem Team „Capitano“ (Käpt’n), dessen
Hauptaufgabe (neben der Erwärmungsübungsvorgabe) darin besteht, das
Training mit einem so laut und so überzeugend wie nur möglich
aufgesagten Spruch zu beginnen und zu beenden. Dazu nehmen alle Spieler
(wie im Sportunterricht) in einer Reihe Aufstellung und unser Coach
Simoes und der Capitano des Tages stehen dem Team gegenüber.
Der Spruch am Anfang ist: „Podemos initiar com o nosso treinos?“,
klingt wie: „Podemosch iniziar komm o nosso treinosch?“, heisst: „Können
wir mit dem Training beginnen?“ und wird, wenn der Capitano Glück hat,
mit einem: „Livre menti“ beantwortet, welches mir bisher noch niemand
richtig übersetzen konnte, was wohl aber so viel bedeutet wie:
Selbstverständlich! Oder: Yeah, lasst uns anfangen! Befinden sich die
nichtcapitanoseienden Spieler in einem gemeinen Gemütszustand, kann es
schon mal passieren, dass der Capitano seinen Spruch zwei, drei, vier
oder fünfmal wiederholen muss, bevor er eine Antwort bekommt und
Training geht erst los, wenn dieses Ritual vollzogen ist.
Bisher war ich zweimal der Capitano, aber die Jungs sind bisher
gnädig mit mir gewesen und haben gleich beim ersten Mal geantwortet.
Simoes hingegen akzeptierte meinen Spruch beim zweiten Mal nicht und
liess mich wiederholen. Muss immer noch lachen, denn die Jungs
reagierten betretener als ich.
Nachdem die Rennerei vorbei ist, nehmen alle Spieler wieder in einer
Reihe Aufstellung, mit dem Coach und dem Capitano gegenüber und dann
kommt der Verabschiedungsspruch: „Podemos terminar com o nosso treinos?“
– „Können wir unser Training beenden?“, was ebenfalls mit dem ominösen „Livre
menti“ beantwortet wird (was dann wohl bedeutet: Yeah lasst uns das
Ganze zu Ende bringen!), und das wiederum nur, wenn der Capitano seinen
Spruch zur Zufriedenheit der Spieler heraus gebracht hat.
Nelson ist neben Schalk Initiator des ganzen Desportivo-Projektes.
Nelson und Schalk sind B-Team-Spieler. Und Nelson ist ausserdem
verantwortlich für alle finanziellen Dinge. Und er ist der Lehrer für
Portugisisch und Englisch im Projekt. Deshalb wird er neben Mr. Man
(eine Redensweise aus Zimbabwe führte zu diesem Spitznamen) auch „Teacher“
genannt. Kaum einer sagt Nelson.
Das bringt mich dazu, noch ein paar mehr Worte zu Namen zu verlieren.
In Zimbabwe wie in Moçambique bekommt man schneller einen Spitznamen als
man seinen eigentlichen aussprechen kann. Dotcom zum Beispiel ist ein
Spieler aus dem A-Team (leider nicht auf dem Foto). Er ist aus Zim,
wuchs in Mutare auf und spielt nun (bezahlten) Fussball in Moçambique.
Als ich ihn an meinem Ankunftstag das erste Mal sah, stellte er sich mit
seinem Spitznamen vor: „Hi, ich bin Dotcom.“ Daraufhin ich: „Hä? Dotcom?
Wie ne Emailadresse?“ Er: „Genau.“ Ich: „Warum Dotcom?“ Und er: „Keine
Ahnung, was sich meine Mutter gedacht hat.“ Habe erst drei Tage später
herausgefunden, dass sein richtiger Name „Tendai“ ist. (Ha, Tendai war
auch nicht richtig, wie ich nun – vier Wochen später – weiss. Sein
wirklich richtiger Name ist „Cleopas“ ;o) Cleopasdotcomtendai besitzt
ein Spielerdress vom 1. FC Magdeburg, Spielernummer 20. Habt Ihr ’ne
Ahnung, wer das ist?
Dotcom ist einer meiner Hauptansprechpartner, denn er ist einer der
wenigen, die Englisch sprechen. Wenn immer ich ein Problem habe, Dotcom
ist zur Stelle und übersetzt oder klärt.
Und dann gibt es da Hardlife (Hartes Leben), dessen richtiger Name
David ist. Sein Rufname ist Hard. Auch er ist der englischen Sprache
mächtig und war in meiner ersten Woche in Manica mein Ansprechpartner,
da wir zusammen die Clubhausdecke gestrichen haben. Sofern Hard in der
Nähe ist (er ist kein Bewohner des Clubhauses), kann ich ihn ebenfalls
jederzeit ansprechen, wenn ich Kommunikationsprobleme habe. Wie auch
Dotcom lässt er alles stehen und liegen, um mir bei meinen Problemchen
zu helfen.
Im Clubhaus arbeitend lernte ich so nach und nach fast alle Spieler
kennen. 11 von 44 Spielern leben im Clubhaus, solange das
Spielerunterkunftsgebäude gebaut wird. Diese elf sind auch die Spieler,
mit denen ich (neben den B-Team-Spielern während des Trainings) am
meisten zu tun habe: Dotcom, Pingy, Angelo, Simaozinho, Machapa, Paito,
Edú, Miguel, Nelito, Helder, Chepad.
Training ist Dienstag bis Freitag, 6.00 bis 8.00 Uhr. Früh!!! Bevor
ich ins Training einstieg, konnte ich mir nicht vorstellen, wie man zu
dieser Tageszeit schon fit sein kann. Mittlerweile aber finde ich
Training am frühen Morgen super, denn ich habe nach dem Training immer
soviel „Tag“ übrig, um das viele Essen zu bewältigen, dass mir hier
aufgetischt wird. ;o)
Während der ersten Woche bekam ich immer Essen (Frühstück und
Mittagessen) angeboten. (Jeden Tag ist jemand anderes verantwortlich
für’s Kochen. Und bis auf Nelito werden alle auch als Koch akzeptiert.
Nelito ist nicht so sehr für’s Kochen gedacht. Seine Qualitäten liegen
auf anderen Gebieten, u.a. labern, labern, labern. Er ist aber auch
derjenige, der den meisten Spass auf dem Fussballplatz verbreitet – der
sogenannte Mannschaftskasper) Ende der ersten Woche in Manica wollte ich
wissen, wie sich das mit dem Essens-Geld verhält und ob ich einen
Beitrag dazuzahlen kann, denn ich kam mir langsam schon etwas komisch
vor. Dotcom sagte mir, Edú würde das Geld von den
Imclubhauslebendenspielern einsammeln. So zahlte ich die
Verpflegungskosten, noch nicht wissend, dass ich damit Vollverpflegung
„gebucht“ hatte, denn von diesem Augenblick hatte ich auch einen
(Pflicht-) Abendbrotteller sicher. Die Portionen, die die Jungs auf die
Teller packen, reichen für mich und zwei weitere „mich“.
Doch nicht genug damit, wenn ich nach getaner Arbeit und gegessenem
Essen nach „Hause“ kam, war Nelson meistens in der Küche und kochte für
sich – und selbstverständlich auch für mich. Es dauerte ein paar Tage,
bis sich das alles etwas eingepegelt hatte, obwohl nach wie vor alle
hier sicherstellen, dass ich einen Teller habe, wenn immer es etwas zu
essen gibt. Ein „ah, nicht für mich, bin nicht hungrig“ oder ein „Ist
denn erstmal genug für alle Spieler da?“ wird nicht akzeptiert. Die
Antwort ist immer die gleiche: Nimm!!!
Meine Befürchtungen, dass ich zu einer richtigen „Mama Afrika“ werde,
haben sich allerdings (noch) nicht bestätigt. Mein Körper hat sich
wahrscheinlich auf jeden-Tag-zweimal-zuviel-Reis eingestellt. Und er
verträgt auch den einen oder anderen Keks. (grins)
Apropos Keks: das folgende hat damit überhaupt nichts zu tun, aber
ich muss es gerade jetzt loswerden. Wusstet Ihr schon, dass man aus
gezuckerter Kondensmilch Karamellsosse machen kann. Stelle mir vor wie
das mit Vanilleeis schmecken muss. Man kocht eine Dose Kondensmilch
einfach 4 Stunden in Wasser und volá: Karamell.
Mit dem Ende der ersten Woche in Manica starteten wir unser
Brotprojekt: wir backen unsere eigenen Brötchen. Die heissen nicht (wie
im ersten Brief geschrieben) Bao, sondern Pão.
Ich habe die ersten beiden Male am Brötchenkneten teilgenommen und
darf mich als fortgeschrittene Pãobäckerin bezeichnen. (Da staunste,
liebe Ute, oder? ;o))
Es bedeutete einen Haufen Arbeit, denn neben der Bäckerei war
ausserdem sicherzustellen, dass der für das Brotprojekt verantwortliche
Spieler, Pingy, lernt, ein „Unternehmen“ zu führen. Wir sind noch nicht
über die Lernphase hinweggekommen.
Anfangs dachte ich, mit Brötchen werden wir kaum unser Geld verdienen
können, denn in Manica gibt es mindestens 50 Pão-Bäcker, die alle
zwischen 800 und 1600 Pão herstellen. Aber nach einer Woche musste ich
feststellen, dass wir mit unseren 850 Pão pro Tag in einem guten Schnitt
liegen und auch alle Brötchen verkauft werden.
In und um unser Clubhaus gibt es Unmengen an Arbeit. Ein Teil der
Spieler ist momentan damit beschäftigt, die Steine für das
Unterkunftsgebäude herzustellen. Eine weitere Gruppe werkelt am
Unterkunftshaus und ich bin immer irgendwo mittendrin: streiche alles,
was noch keine Farbe hat, kratze Zement aus den Fugen zwischen den
Küchenfussbodenfliessen, grabe den Garten um und pflanze Gemüse oder
backe Brötchen. Aber auch im Computerlabor oder im
Englischunterrichtsteil unseres Hauses gibt es genug zu tun.
Englisch ist eine Sprache, die mich hier nicht sehr weit bringt, denn
(wie gesagt) nur drei vier Spieler sprechen Englisch, alle anderen
sprechen Portugisisch oder Schona/Chimanica (letzteres ist Schona mit
manicatypischem Akzent). Was dazu führt, dass Dotcom oder Hard herhalten
müssen, oder Hände und Füsse den „Job” erledigen. Ein wahrscheinlich
weltweites Phänomen ist das Sprechen einer Fremdsprache in
alkoholisiertem Zustand, denn wenn zum Beispiel Angelo ein Glas (oder
zwei bis sechs Gläser) Wein intus hat, dann kommen englische Wörter über
seine Lippen, derer er sich am nächsten Tag absolut nicht mehr erinnern
kann, geschweige denn wie man diese ausspricht. (Alkoholisiert sind die
Spieler allerdings selten, denn zwischen den Trainingszeiten und vor dem
Spiel ist das Konsumieren von Alkohol strengstens verboten, was
bedeutet, Trinken ist nur am Sonntag nach dem Spiel erlaubt; bzw.
Samstags und Sonntags, wenn das Spiel am Samstag stattfindet.) So habe
ich inzwischen angefangen, portugiesisch zu lernen, da ich meinen Händen
zur Unterhaltung auch gern mal eine Kaffeetasse in ebenjene drücke und
meine Füsse oftmals einfach zu dreckig sind (vor allem nach der
Gartenarbeit, denn alles ist furchtbar trocken und staubig), um eine
Unterhaltung zu führen. Zum anderen wäre es ganz interessant, das ganze
Spielergelaber verfolgen zu können (ohne dass sie wissen, dass ich weiss
;o)). Einer der Spieler, Helder (er ist der Älteste unter den
A-Team-Spielern) meinte, ich könnte ohne Probleme mein Geld als
Englischlehrerin verdienen, allerdings müsste ich dann weg von Manica
(um Nelson und dem Projekt keine Konkurrenz zu sein). In Chimoio oder
Beira wäre der Bedarf an Englischlehrern (vielleicht ja auch Deutsch)
riesig. Chimoio ist jedoch 86 km von Manica entfernt und Beira 246 km.
Das ist viel zu weit weg von Zimbabwe. Doch vielleicht sollte ich diesen
Gedanken nicht allzu weit wegschieben, falls es mit einem Job im
Schalkprojekt nix wird. Und ich brauche dringend einen Job hier, denn in
Sachen Visa gab es eine unvorhergesehene Wendung.
Als ich Zimbabwe vor vier Wochen verliess, war ich sicher (und wurde
mir von allen Seiten versichert), dass ich nur für eins, zwei Wochen das
Land verlassen muss, um mit einem neuen Visa einzureisen. Als ich dann
nach zwei Wochen Moçambiqueaufenthalt wieder an der Grenze ankam, wurde
mir die Einreise verweigert. Die Begründung war, dass ich bereits zu
lange in Zimbabwe gewesen bin. Einer der „Immigrationsoffiziere“ hatte
mich bereits in Mutare im Immgrationsbüro gesehen. Er meinte, er könne
meinen Fall nicht entscheiden und rief nach dem Schichtleiter. Dieser
fragte mich, was ich denn in Zimbabwe wollte und warum ich nicht nach
Hause „gehe“. So sagte ich ihm, dass ich Freunde in Zimbabwe habe, die
ich besuchen will. Er akzeptierte die Antwort nicht, zählte alle meine
Aufenthalte auf, die ich jemals in Zim hatte und meinte dann, das wäre
zu viel Zeit, die ich in seinem Land verbracht habe. Könnt Ihr Euch das
vorstellen? Als ich ihm dann sagte, dass meine Freundin am folgenden Tag
ihren Geburtstag feiert, erklärte er mir, dass drei Tage Aufenthalt in
Zim dann wohl genug wären. Für 60 USDollar (30 USDollar Bestechungsgeld)
konnte ich dann 7 Tage in Zimbabwe bleiben, wobei der Einreisetag als
ganzer Tag gezählt wurde, obwohl ich die Grenze erst 18 Uhr überschritt.
Die ganze Angelegenheit war sehr sehr ärgerlich, denn diese „Offiziere“
erklärten mir auch, dass es mir nicht mehr erlaubt ist, noch einmal nach
Zimbabwe einzureisen, bevor ich nicht in Deutschland gewesen bin. Als
ich Ihnen mitteilte, dass mein Flug nach Deutschland von Harare aus
geht, meinten sie, dass dies mein Problem sei und ich meinen Flugplan
ändern müsste. So sitze ich nun irgendwie in Moçambique fest und
überlege mir meine Möglichkeiten: „verliere“ ich meinen Ausweis, weiss
niemand, dass ich schon mal in Zimbabwe gewesen bin (es sei denn ich
treffe auf einen der korrupten Grenzer, die mein Gesicht als „Gesucht:
tot oder lebendig! Kopfgeld 60 USDollar“ in ihren Köpfen eingespeichert
haben). Oder ich gehe über die Deutsche Botschaft in Maputo und frage
nach, was meine Möglichkeiten sind. Doch keine Bange, irgendwie werde
ich nach Hause kommen – und wenn ich laufen muss.
Werde oft gebeten, Deutschland mit Zimbabwe oder Mocambique zu
vergleichen. Der Unterschied zwischen den „westlichen“ und den „Drittewelt-“
Ländern ist für mich jedoch zu gross, um beide „Welten“ miteinander
vergleichen zu können.
Nehmen wir zum Beispiel die Brötchen, die wir hier in Manica backen.
Du kannst für einen Euro 33 Brötchen kaufen. Das ist ganz schön billig,
oder? Wenn das Monatsgehalt allerdings nur 45 Euro beträgt, überlegt man
zweimal, ob 33 Brötchen zum Abendbrot wirklich notwendig sind (hmm,
wahrscheinlich nicht nur aus Geldgründen ;o) In Deutschland verdient man
deutlich mehr, muss aber auch mehr Geld ausgeben, da die Preise für all
die wichtigen und weniger wichtigen Sachen ebenfalls deutlich höher
sind.
Und zwischendurch mal schnell zu Euren Fragen:
Vierbeinspinnen sind Exachtbeinspinnen. :o))))) Manche laufen im
Uhrzeigersinn (links drei Beine, rechts eins), andere gegen den
Uhrzeiger (links ein Bein, rechts drei) und manche können nur geradeaus
laufen (zwei Beine links, zwei rechts) Sie verlieren ihre Beine im
Wettlauf mit den eidechsenähnlichen Vierbeinern. Letztere versuchen, die
Spinnen zu fangen, um sie zu verspeisen (Spinnibalen?) was oftmals damit
endet, dass die Spinne beim nächsten Rennen in den Paralympics startet.
:o)
Schlangenspucke ist weiss, ca. zweieurostückgross, irgendwie schaumig
und klebrig. Ich dachte, Susie will mich vergackäppeln als sie mir die
Schlangenspucke zeigte und meinte, das sei eben diese.
Susie ist inzwischen beschäftigt, sich um unser Haus und unsere
Hühner zu kümmern. Unsere Broilerbabies haben mittlerweile fast
Verkaufsgrösse erreicht, die ersten vier sind auch schon in der Pfanne
gelandet und die restlichen, werden wohl über die nächsten Tage an die
jeweiligen Verspeiser übergeben.
Unsere Broiler sind durchtrainierte Freilandbroiler. Normalerweise
sind Broiler dumm und fett und absolut unfähig zu fliegen (die dünnen
Federchen können einen fetten Broiler nicht vom Boden abheben). Deshalb
werden hier Menschen, die wegen ihres zu hohen BMI (Body Mass Index)
bewegungsunfähig sind, auch als Broiler bezeichnet.
Da wir einen Multikultihühnerhof haben und alle Rassen zusammenleben,
haben unsere Broiler eine andere „Bildung“ genossen als der zimbabwische
Ottonormalbroiler. Und wie auch unsere Freigänger (die gemeinen Haus-
und weniger gemeinen Bantamhühner einschliesslich nicht mehr einsamer
Truthenne, weil seit 2 Tagen bepartnert) sind die Broiler am Flug- und
Ausbruchserfahrungsaustausch interessiert.
Dazu kommt, dass unsere Teenagerhähne in die Pubertät gekommen sind.
Wir haben einen grossen weissen Hahn (Ältester im Stall), genannt Kule (Schonawort
für Onkel oder auch Alter Mann), der das
Eierproduzierendaufderhennesitzenvorrecht hat und nun höllig aufpassen
muss, dass nicht einer der beiden jungen Hähne auf einer seiner Frauen
zu sitzen kommt. Kule’s Frauen machen ihrerseits einen Heidenspektakel,
wenn einer der Youngsters versucht, Ihnen nahe zu kommen. Dann sieht man
Kule durch die Gegend spiken, um seine Damen zu erretten. Es ist wie im
Film.
Da nun die beiden Fasterwachsenen bei den gemeinen weiblichen Hühnern
nicht zum Zuge kommen, rennen sie den Bantamhühnern hinterher, die
allerdings das Sexualaktivalter noch nicht erreicht haben, und die
männliche Bedürftigkeit als Angriff auf ihr Leben verstehen.
Komischerweise sind beide Junghähne nicht an den Broilern interessiert.
Sie stehen wahrscheinlich nicht auf Weisse (Haut/Fell/Feder) ;o). Auf
jeden Fall ist es ein wahres Hennenrennen rund um unser Haus.
Esther, Kule’s Lieblingshuhn und Mama im Hühnerstall, ist
mittlerweile wieder feste am Eier legen. Doch mit dem Brüten muss sie
sich diesmal gedulden, bis wir am Hühnerhaus angebaut haben. Im Moment
ist es auch noch ein bissel zu kalt, um Küken in die Welt zu setzen. So
werden Esther’s Julieier wohl eher in der (wenn auch nicht in unserer)
Pfanne landen.
Unsere Truthenne zeigt, wie glücklich sie mit ihrem neuen Partner ist
und ist zur Eierproduktionsmaschine geworden – gestern war es das zehnte
grosse Truthennenei, das den Truthennenhintern verlies.
Unsere älteste im Stall, Mbuya (Schona für Oma oder auch respektvoll
für „alte Frau“, sie ist um die 8 Jahre alt), ist mit 8 Eiern im
Wettbewerb. Ihr seht, Kule hat alle „Flügel“ voll zu tun.
Letzte Woche Freitag (Mitte Juli) war ich das erste Mal zum
Handballtraining. Diese „Mannschaft“ besteht aus ein zwei Spielern die
genau wissen, was sie tun und 8 anderen (darunter zwei Mädels, ca 15
Jahre), die lernen, wie man Handball spielt. Alle sprechen nur
portugisisch, verstehen kein Wort Englisch, doch das ist nicht weiter
schlimm, da die meisten Übungen unseren ganz ähnlich sind. Die ganze
Gruppe besitzt drei Bälle, einen Männerhandball und zwei
Frauenhandbälle, die in ihren Anfangsjahren mal Lederhandbälle gewesen
und nun nur noch irgendwie stoffig sind. Es war ein Erlebnis mit diesen
Bällen zu spielen, denn diese zu kontrollieren ist wirklich eine
Herausforderung an die Handballerhand. ;o)
Der beste Spieler (muss so um die 20 Jahre sein) übernahm letzte
Woche das Training, meinte dann aber, er sei nicht wirklich der Trainer.
Vielleicht ist das ja meine Chance. Muss nur noch rausfinden, ob diese
Kids an einem ernsthaften Training interessiert sind (momentan ist es
eher eine lockere Sache, ähnlich dem
Wirtreffenunsnachderschuleundspieleneinbisschen) und was
organisationstechnisch dahinter steckt.
Insgesamt gibt es im näheren Umfeld von Manica (laut Caito, dem
Basketballtrainer) 3 Handballmannschaften, die jeweils eine Schule
repräsentieren. Habe allerdings gar keine Ahnung, ob es sich dabei um
Jungs- oder Mädelmannschaften handelt, und ob sie hier gemischte Ligen
(Jungs und Mädels) spielen. Für das Austragen einer Meisterschaft
braucht es mindestens fünf Mannschaften.
Trainingsstätte ist die „Städtische Sporthalle“, die täglich von 14 –
17 Uhr für den „Vereins“sport geöffnet hat. Allerdings gibt es keine
festen Regelungen für Trainingszeiten. So sind immer drei
Trainingsgruppen (von denen ich keine Ahnung habe, ob sie überhaupt zu
irgendeinem Verein gehören) zur fast selben Zeit unterwegs und dann kann
es auch schon mal eng werden. Es ist alles nur eine Frage der
Organisation. Vor zwei Wochen zum Beispiel hatte die
Volleyballmannschaft ein Spiel während der Trainingszeit der
Basketballmannschaft. Diese wich auf die Tribüne aus und machte 2 ½
Stunden Treppentraining. Ich bin froh, dass ich an diesem Tag kein
Basketballmädelmuskel war. Als Caito’s Mädels die Halle verliessen,
liefen sie, als ob sie den ganzen Tag auf Kamelen geritten wären. ;o)
In Zimbabwe ist inzwischen Ausnahmezustand. Seitdem die Regierung
schon erwähnten Erlass zur Preissenkung erlassen hat, sind die Läden
leer. Kein Brot, kein Fleisch, Maismehl, kein normales Mehl. Kein
Hühnerfutter. Die Schlangen an den Brotverkaufsstellen erinnern mich an
„im Konsum gibts Bananen“. Und die Leute stehen Schlange für Bier :o)
Und wie immer in harten Zeiten machen die Leute ihre Witze über die
ganze Situation. Der Supermarkt „TM“ heisst nun „MT“ (= empty = leer)
und der Laden „ok“ ist „not ok“ (nicht okay). Wenn es etwas zu kaufen
gibt, schlagen die Leute hier gleich doppelt und dreifach zu, um dann
die wegen eben jenes Zuschlagens nicht mehr im Laden vorhandenen Dinge
im Haus zu haben. Es ist ein Teufelskreis. Und ich kann auch nicht
erklären, wie man mit den Preisen zurechtkommen soll. Ich kann’s nämlich
nicht. Ich meine: zurechtkommen.
So, inzwischen ist wieder Wochenende (04./05.08). Ein Wochenende der
Entscheidung. Das A-Team spielt am Sonntag gegen den Mitfavoriten der
Meisterschaft. Das Team, welches dieses Spiel gewinnt, wird mit
allergrösster Wahrscheinlichkeit in die nächsthöhere Liga (2. Division –
vergleichbar mit 2. Bundesliga) aufsteigen. Es ist dasselbe Team, gegen
welches unser Team am Tag meiner Ankunft vor fünf Wochen in Manica
verlor.
Das gegnerische Team ist ebenfalls aus Manica, und so spricht die
ganze Stadt nur über das kommende Lokalderby. Beide Teams verstecken
sich, halten die Vorbereitungstrainings geheim und überhaupt ist wieder
ein Haufen „Medizin“ und Hexerei im Spiel. Unsere Jungs wollten nicht
mehr auf ihrem eigentlichen Trainingsplatz trainieren, denn jemand
könnte die Erde, auf der sie wandelten, nehmen und verhexen. Was mich
nur amüsiert, ist für die Spieler eine wirklich ernste Angelegenheit.
Seit gestern (03.08.) campen sie nun niemandweisswo und versuchen so,
dem gegenerischen „juju“ (gesprochen: tschutschu) – dem
Verhexmedizinsgebrauch – zu entgehen.
Das Gerücht geht um, dass der „Medizinmann“ der gegnerischen
Mannschaft ein 2:1-Sieg für seine Mannschaft vorhergesagt hat, was nun
zu heller Aufregung in unseren Reihen (von den Offiziellen bis hin zu
den Spielern) geführt hat. Doch keiner weiss, was zu tun ist, denn wir
besitzen keinen solchen „Medizinmann“, der seine Zauber anwenden und für
uns alles zum Guten wenden könnte. Ich bin gespannt...
Unser B-Team ist derweil locker und flockig, denn sie führen in ihrer
Liga mit sieben Punkten. Selbst wenn sie ein Spiel in den Sand setzen,
ist das kein Beinbruch. Und bekanntlich spielt es sich ohne Druck umso
besser. Freue mich auf ein weiteres Fussballereignis heute Nachmittag.
Samstagabend, wir (B-Team) haben 6:0 gewonnen. :o)
Sonntagabend. Unentschieden. Nach einem Spiel, dass wir eigentlich
gewonnen hätten, der Schiedsrichter seine Entscheidung, unser (Sieg)tor
als solches gelten zu lassen, nach einer Diskussion mit den Spielern der
gegnerischen Mannschaft revidierte. Schiedsrichter in Moçambique sind
eine Geschichte für sich. Entweder unfähig oder bestochen oder beides
zusammen. Wenn sie auf Tor entscheiden, ist das keine endgültige Sache,
es ist immer noch verhandelbar.
Inzwischen sind wir auch hier ein bisschen schlauer, denn ein
Clubmanager, dessen Team letztes Jahr in die 2. Liga aufstieg, plauderte
aus dem Nähkästchen. Wenn wir die Liga gewinnen wollen, können wir das
nur, indem wir die Schiedsrichter bestechen. Doch nicht nur die
Schiedsrichter, die unsere Spiele, sondern auch diejenigen, die die
Spiele unserer Mitkonkurrenten pfeifen. Ich dachte, ich hör nicht recht.
Doch das ist, was die anderen Teams bereits tun. Schalk berief eine
Krisensitzung ein, welche Stunden dauerte und in der darüber beraten
wurde, ob man in dieses „dreckige“ Spiel einsteigt. Der Vorstand des
Vereins beschloss, „sauber“ zu bleiben. Jetzt hilft nur „Juju“ um die
Meisterschaft zu gewinnen ;o) (übrigens war Schalk in Chimoio, um mit
dem Chef des Fussballverbandes in der Provinz über die
Bestechungsbereitwilligkeit der Schieris zu sprechen. Am darauffolgenden
Wochenende sah der Torwart meines Teams, des B-Teams, vor Anpfiff des
Spiels die gelbe Karte wegen zu kurzer Socken. Zufall?)
Schalk will meinen Ausweiss „verlieren“, damit ich das Land nicht
mehr verlassen kann. ;o)
Mit Schalk weiss man nie, ob er eben jenen gerade im Nacken sitzen
hat, wenn er mit einem spricht. Letzten Montag zum Beispiel: Angelo,
einer der A-Team-Spieler (und auch auf dem Foto), nahm mich an der Hand,
führte mich aus dem Clubhaus und plazierte mich direkt neben Mazunga,
einem anderen A-Team-Spieler, in der Hoffnung, dass dieser übersetzen
würde. Mazunga wurde allerdings anderweitig in Beschlag genommen und
hörte Angelo nicht richtig zu. Schalk hingegen stand nur 2 m entfernt
und so fragte Angelo ihn, ob er übersetzen würde. Schalk nickte und
Angelo sagte etwas auf portugiesisch. Schalk übersetzte: „Wenke, ich
liebe dich. Willst du mich heiraten?“ Zwei Sekunden Stille. Dann musste
ich loslachen, denn ich sah den Schalk über Schalk’s Schulter blicken.
Mazunga indes erzählte Angelo, was Schalk mir gerade übersetzt hatte,
was dazu führte, das die sechs anderen um uns herumstehenden Leute
ebenfalls laut loslachten und Angelo zu einer riesigen, durch wildes
Mitarmenundbeinengestikulieren unterstützten Beschwerte ansetzte. Ich
verlies den Schauplatz dieser Liebeserklärung, um meine Arbeit zu
beenden, wurde allerdings 20 Minuten später von Angelo erneut
hinausgeführt und neben Schalk gestellt. Dann sagte Angelo wieder etwas
auf portugiesisch. Und Schalk übersetzte: Dein Körper ist sexy. Alle
krümmten sich vor Lachen.. Und Angelo ging auf Schalk los. ;o)
Alles, was Angelo von mir wollte (beim ersten Versuch), war ein
bisschen Geld, um Wein zu kaufen. Beim zweiten Versuch sollte Schalk mir
sagen, dass die Verlobungserklärung nicht von ihm gewesen ist. Was
natürlich niemand akzeptiert. Seit Montag ist Angelo mein zukünftiger
Ehemann, und wann immer ein Wort über Liebe, Heirat oder sexy Körper
fällt, ist Angelo im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. (mein „Zukünftiger“
hat seine Rolle inzwischen akzeptiert und speicherte meine Telefonnummer
unter dem Namen “Esposa“ = Ehefrau, und weisst neuerdings jeden zurecht,
der mir zu nahe kommt. ;o)
Dass Schalk in Manica ist, hilft, ein paar mehr Einblicke ins Projekt
zu bekommen. Vieles wird nun klarer, wo ich vorher nicht so sicher war,
wie das alles funktioniert. So weiss ich nun, dass die A-Team-Spieler
wirklich nur für das Treten des Balles bezahlt werden. Professionelle
Fussballer in Mocambique werden wie Helden behandelt, und sie benehmen
sich wie verzogene Jungs. Das war auch bei unseren Spielern der Fall.
Bis sie ins Profifussballerumerziehungsprojekt kamen. Jeder einzelne
hatte die Wahl zwischen zwei Optionen: nur Fussballspieler oder neben
Fussballspielens auch Teil im „grossen“ Projekt zu sein. Alle wählten
letztere Option und damit auch Schalk’s (und alle anderen
nichtfussballernden Projektmitarbeiter) Benimmlernprogramm. So lernten
sie arbeiten und Verantwortung ausserhalb des Fussballplatzes zu
übernehmen und die grundlegenden Kniggedinge: Bitte, danke, Tischregeln
usw. Wenn man die Jungs jetzt sieht, kann man die Anfänge des Projektes
nur erahnen. Doch bis zum perfekten Gentleman ist es noch ein weiter
Weg.
Das „grosse“ Projekt besteht aus verschiedenen kleineren Projekten:
das Hühner- und Gartenbauprojekt rund um Short’s Haus, das Clubhaus mit
zukünftiger Clubhauskneipe, Kraftraum und Spielerunterkunft, das
Brotprojekt (welches vor zwei Wochen leider Pleite ging und neu
gestartet werden muss, weil der Brotverkäufer mit dem Geld verschwand),
ein Barbierladen (Der Barbier von Manica), Englisch-, Portugiesisch- und
Computerunterricht (momentan noch im selben Haus, in dem ich schlafe und
welches von George Bush, einem Schäferhund-Collie-Mix, bewacht wird) und
Desportivo mit „Fussball in der 2. und 3. Liga“, Fussball für Kurze
(Nicht Zwerge. Kinder.) Basketball und Volleyball, vielleicht bald
Handball.
Short (in Deutsch: kurz) ist gar nicht so kurz. Er ist drei
Zentimeter grösser als ich. ;o) Sein Haus steht auf einem Stückchen
Land, dass dem Projekt gehört. Stefan hatte einen Haufen Arbeit
investiert, um die Bewässerungsanlage für das Gemüse zu installieren. Es
gibt ein Hühnergehege mit Swimmingpool. Für die drei Enten, die dort
ebenfalls durch die Gegend watscheln. Und für die Fische. Und es gibt
einen Truthahn ohne Truthenne, welcher schneeweiss ist, bis auf ein paar
einzelne hellbraune Schwanz- und eine einzelne abstehende schwarze
Halsfeder. Zur Zweibeinergruppe gehören ausserdem ein zu klein geratenes
gemeines Haushuhn + dessen normal grosse Mutter, ein Hahn und drei
Perlhühner.
Neben dem Gemüsegarten ist ein Platz mit einem sechs mal drei Meter
grossem Unterstand (oder –sitz oder –lieg), in dem man wunderbar
frühstücken kann. Ausserdem gibt die Möglichkeit zu campen (was vor
allem Schulklassen aus Südafrika tun, welche Schalk als „billige
Arbeitskräfte“ ins Projekt bringt ;o)), mit Plumbsklo (in Zimbabwe
heissen die Dinger „Blairtoilets“ – Rache für die Kolonialisierung durch
die Briten?) und afrikanischer Dusche hinter Bastmatte mit Strippe zum
Ziehen für den Eimer. Ahh, nee, Wasser kommt durchs Rohr, aber es ist
eben nur kaltes Wasser.
Das Clubhaus ist ein grosses. Bis vor einigen Jahren war es der
Haupttreffpunkt für alle Sport- und/oder Bieranhänger. Doch dann verfiel
das Haus immer mehr bis es schliesslich schloss. Schalk, mit seinem
Kommuneentwicklungsprojekt dachte, der Sportclub „Desportivo“
einschliesslich dazugehörigem Clubhaus muss übernommen und auf
Vordermann gebracht werden. Und das passiert seit letztem Jahr.
Desportivo hat eine Menge von Anhängern in Manica und alle Kneiper in
der Stadt sind wenig begeistert bei dem Gedanken, dass wir unsere „Bar“
öffnen.
Neben dem Clubhaus wird momentan ein weiteres Haus gebaut, dass, wenn
es fertig ist, die Spielerunterkünfte (4 Räume mit jeweils vier Betten),
einen Gästebettraum, das Computerlabor, den Englischunterrichtsraum und
zwei Büros beherbergt. Wenn es soweit ist, ziehen wir aus Schalks Haus
aus und ins Clubhaus ein und alles spielt sich dann auf dem
Clubhausgelände ab. Und alle in Desportivo hoffen, dass dieses Dreh- und
Angelpunkt der Sportgemeinde in Manica wird.
Schalk liess ausserdem immer wieder mit viel Augenzwinkern ein Wort
fallen, dass sie jemanden brauchen, der die Kneipe im Clubhaus
übernimmt. Jemanden wie mich. Es würde bedeuten, ich bleibe dauerhaft in
Manica, wenn es gut läuft und übernehme eine Kneipe.
So, nun wisst Ihr Bescheid. Weitere Mails werden kommen, kann nur
noch nicht sagen, wann...
Hoffe, Ihr habt ein wunderbares Turnier und schickt mir nen Bericht
über alles.
Ganz liebe Grüsse
die Wenke
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