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Unsere Weltenbummler ...
Weltreisende berichten.
2003/2004/2005
Reiseerzählungen Teil V:

Bangladesh:

Auf dem Flughafen in Dhaka nahmen die völlig überfordert wirkenden Beamten uns erst einmal unsere Pässe ab. Mit einer Plastikmarke stattdessen, brachte man uns in die Stadt. Teil unseres Flugtickets war eine Hotelübernachtung und Weiterflug am nächsten Abend.

Die Hauptstadt Bangladesh war für uns ein einziger Kulturschock. Die Straßen waren zum größten Teil geflutet, es herrschte unbeschreibliches Chaos, und die Menschen wirkten gequält, verschlossen,ja geradezu depressiv. An jeder Ecke stand bis an die Zähne bewaffnetes Militär, und die Stadt schien durch bewachte, eiserne Tore in Sektoren unterteilt. Tausende, trotz des Regens und der Kälte nur spärlichst bekleidete Rikshafahrer verstopften die Straßen und wuchteten ihre Passagiere watend durchs knietiefe Wasser.

Die Hotelangestellten benahmen sich wie Gefängnisaufseher. Sie betraten unsere Zimmer ohne Aufforderung oder Vorwarnung mit jeweils neuen Befehlen. Glücklicherweise waren wir zu viert, und so hatten wir zusammen mit einem Australier und einem Japaner einigermaßen Spaß im Umgang mit dem rüden Personal. Abendessen gab es auf harschen Befehl, und fünf Kellner standen mit verschränkten Armen im Halbkreis um uns herum und wiesen uns an,“…setzen, essen!“.

Bis zum Weiterflug nach Calcutta hatten wir den ganzen nächsten Tag Zeit. Wir tauschten etwas Geld auf der Straße und verhandelten einen Taxifahrer auf 12 US-Dollar für eine Tagestour. Es schüttete aus Kübeln, begleitet von kaltem, böigen Wind, und so war die Trostlosigkeit und Tristesse der heruntergekommenen Stadt in wirklich passendem Rahmen. Es herrschte ein solches Chaos überall, dass wir für die vielleicht fünfzehn Kilometer durch die Stadt mehr als sechs Stunden brauchten.

Die Menschen hausen unter elendsten Bedingungen, und die Armut der Menschen scheint hier den Boden des Möglichen erreicht zu haben. Ich erinnerte mich an ein kleines Werbeprospekt über Bangladesh im Flugzeug. Es zeigte lachende Frauen bei der Teernte, einen zahnlosen Opa, der von einem Ochsenkarren in die Kamera winkte, und sattgrüne, fruchtbare Landschaften. Die Realität jedoch sieht leider so aus, dass nahezu das gesamte Land alljährlich von den verheerendsten Hochwassern, die unsere Erde kennt, regelmäßig verwüstet wird. Das pro Quadratkilometer am dichtesten besiedelte Land der Welt trauerte erst 2003 um über 300.000 Tote. Hinzu kommt, dass die der Welt wohl schmutzigsten Flüsse Ganges und Brahmaputra ihre Abwässer aus Indien ins Land ergießen und somit für die Verbreitung übelster Epidemien nach den Fluten sorgen.

Wir sahen uns in der Stadt ein wenig um, quatschten mit Einheimischen beim Mittagessen in einer Kneipe und waren am Ende froh, nicht hierbleiben zu müssen. Unser Taxi schaffte den Weg zurück in unser Hotel nur bis auf 500 Meter in die Nähe. Auch diese Straße war mittlerweile mehr als 50 Zentimeter unter Wasser. Claudi versenkte sich dann noch selbst in der stinkenden Kloake bis zum Hals, da die Schlaglöcher vermutlich ebenfalls eindrucksvolle Tiefen besitzen, und man den Verlauf der „Wasserstraßen“ nur ahnen kann.

Zurück auf dem Airport nahm das Chaos seine Fortsetzung. Niemand kümmerte sich um die orientierungslos umherirrenden Passagiere. Unsere Rucksäcke nahmen uns die Beamten an keiner Stelle ab, und so endeten wir damit schließlich im Flugzeug. Die Stewardess stapelte sie einfach vor die Kabienentür und den Notausgang, und da der Kapitän nun nicht mehr aus dem Cockpit kam, brachte sie schließlich doch noch jemand zum Gepäckraum. Ein Werbeplakat verhieß neben der verbeulten Eingangstür:“ Besuchen Sie Bangladesh, bevor die Touristen kommen!“, ich setzte in Gedanken hinzu: „…lassen Sie sich Zeit!“.

Der Flug nach Calcutta war ereignislos und kurz. Wir erreichten die östlichste der großen indischen Metropolen mit über 14 Mio Einwohnern um Mitternacht. Dies hatte Vor- und Nachteile. Zum einen blieb der von uns erwartete Sturm von Hunderten auf drei Weißgesichter vor dem Terminal aus, zum anderen mussten wir, ohne bis auf die Knochen betrogen zu werden, die 20 km ins Stadtzentrum zurücklegen. Also erst einmal weg aus dem Flughafengelände und hinein in die düsteren indischen Gassen, denn dort ist das Verhandeln des Taxipreises stets wesentlich einfacher. Nach kurzer Debatte und mehrfacher gegenseitiger Beteuerung unser aller Armut einigten wir uns, und ich durfte den vielleicht 40 Jahre alten „Ambassador“ vom Beifahrersitz aus sogar steuern. Die Suche nach einer Bleibe gestaltete sich dann aber langwierig und feucht. Auch hier waren die Straßen mit lauwarmem, übelriechendem Wasser geflutet, und ich hoffte beim barfüßigen Durchwaten, bloß keinen Kratzer mit sich anschließender übler Wundinfektion davonzutragen. Doch als ob die Stadt wüsste, dass wir kommen, zeigte sie sich am nächsten Tag mit strahlendem Sonnenschein, und auch das Wasser war verschwunden.

Calcutta war vollgestopft mit Menschen. Wir liefen entlang der Straßen, und es war ein einziges Schieben und Drängeln. Die Bettler und Bettelmütter pickten geschickt die Ausländer aus der Menge und belagerten sie mit Penetranz. Überall lagen und saßen Menschen am Straßenrand, hunderte Händler, Teeshops und Garküchen säumten die engen Gassen, die Luft ist erfüllt von Hupen, Geschrei, Motorenlärm, und die Sonne hatte Mühe, durch die verpestete Luft zu dringen.

Calcutta ist natürlich britisch geprägt, und alle eindrucksvollen Bauwerke stammen aus der Kolonialzeit. Es gibt Crickettstadien, einen See, Parks, und die prinzipielle Anordnung aller Gebäude und Straßen gleicht europäischen Metropolen. Nach dem Verschwinden der Engländer benannten die Bewohner die Stadt wieder indisch in Kolkatta um, und auch die indische „Umgestaltung“ der Stadt begann. Der See ist völlig verdreckt, die Parks verwildert und vermüllt ohne jedes Gras, und die zum Teil prachtvollen Säulenportale der alten Banken und Verwaltungspaläste sind verwahrlost, vernagelt und verfallen vor sich hin. Das hört sich düster an, ist es aber für die Atmosphäre der Stadt keineswegs. Jede Ecke der Stadt ist bevölkert. Die Straßen sind voller Leben, ob verfallen oder nicht. Ein für unsere Begriffe katastrophaler Verkehr funktioniert irgendwie letztlich doch, und ein auch auf dem Dach mit Menschen völlig überfüllter Bus erreicht nach einigen Minuten die andere Seite der verstopften Kreuzung. Ständig wird man angesprochen, wo man her kommt oder hin will, man soll doch ein geschnitztes Blasrohr kaufen und jenes essen, ein paar Rupies geben….

Die Trickkiste der Leute, anderen Leuten für irgendetwas Geld abzuknöpfen, ist schier endlos. Natürlich gibt es in Calcutta viel zu sehen, jedoch für uns war das Spannendste immer das Straßenleben. Calcutta ist die der Welt wahrscheinlich letzte Bastion der von Menschen gezogenen Rikshas. Eine Art einachsige Pferdekutsche aus Holz, welche Platz für zwei Personen plus Gepäck bietet. Der Eigentümer steht in einer zweiarmigen Deichsel und zieht seine Last durch die engen verstopften Gassen. Ist der Weg auch nur für Sekunden frei, so rennt er mit einer Handglocke bimmelnd vorwärts. Es ist Schwerstarbeit, und die Kapitäne von Calcuttas Gassen arbeiten zumeist barfuß, bekleidet mit nur einem Sarong nebst Turban. 1,5 Millionen Passagiere werden auf diese Art täglich transportiert, gleiches schafft die Berliner S-Bahn an einem Wochentag auch! Der Anblick war anfangs etwas befremdend für uns, jedoch nach einer Weile gewöhnt man sich an diese Antriebsart und findet sie zum Schluss sogar ganz praktisch für die Verhältnisse hier.

Nachdem wir eine Woche des niemals langweiligen Straßenkinos Calcutta genossen und von Tempeln und Blutsopfern (Hier schlägt man täglich unter frenetischem Aufheulen der umherstehenden Gläubigen lebendigen Ziegen auf einem Altar die Köpfe ab!) genug hatten, brachte uns ein indischer Zug in 30stündiger Fahrt nach Sikkim im Norden. Hier treffen sich Nepal, China, Bhutan und Indien an den höchsten Bergen unserer Erde, und wir kennen es wegen des berühmten Tees. Darjeeling ist eine der größeren Städte hier und liegt wie aufgeklebt auf dem Rücken eines Bergkammes an dessen steilen Hängen. Die Luft ist kalt und kristallklar, und von nahezu jeder Stelle sieht man den majestätisch in den Himmel ragenden Khanchendzonga (8598 m über NN), den dritthöchsten Gipfel nach Everest und K2.

Da in Nepal Unruhen und ständige Schießereien zwischen kommunistischen Maoistenrebellen und Regierungstruppen den Reisegenuss momentan trüben, kamen wir hierher, um eine ausgedehnte Trekkingtour zu unternehmen. Gangtok, die Hauptstadt der Region, bot hierfür scheinbar einen idealen Ausgangspunkt, und wir wanderten zum Warmwerden schon mal einige Tagestouren durch die malerische Hochgebirgslandschaft. Um hier nun richtig in die Berge zu kommen, braucht man eine Art Sondererlaubnis. Diese besorgten wir uns nach siebenstündigem Behördengefecht mit Indiens unzähligen und hochwichtigen Bürokraten noch in Calcutta. In Indien kommt der Amtsstempel in der Bedeutsamkeitsskala gleich nach dem Atmen. Um einem den Berggenuss aber so richtig zu vermiesen, gestattet man Ausländern hier das Bergsteigen nur mit indischem Führer und Trägern in einer organisierten Tour für minimal 25 Euro pro Person und Tag. Das war in jeder Hinsicht lächerlich und kam für uns nicht in Frage. Wir checkten also nochmals die politische Lage im doch so nah liegenden Nepal durch Internet und inquisitorische Befragung anderer Tramper und entschieden uns dann zusammen mit Lionel, einem Amerikaner philipinischer Herkunft, für die „Flucht zum Everest“.

Ein Jeep brachte uns die ersten paar Stunden in Richtung Grenze, er verlor jedoch nach üblen Geräuschen plötzlich die Kardanwelle, und so trampten wir weiter mit viel Glück und zwei Holländern bis zum nepalesischen Schlagbaum.

Nepal:

Dreißig Dollar fürs Visum hingeblättert, und schon waren wir auf dem Weg zum Dach der Welt. Nach 12stündiger halsbrecherischer Schluchtenralley in einem Bus erreichten wir Kathmandu doch unverletzt. Eine beeindruckend schöne Stadt. Herrliche uralte Gebäude, reich verziert, beschnitzt, bunt, enge belebte Gassen, es war eine Lust, hier herumzuwandern. Die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen ohne jede Berührungsangst und auffällig fröhlich. Endlich wieder jemand, der unsere Späße versteht. Klar, im touristisch verseuchten Stadtteil Thamel ist jedes Ansprechen eines Touristen letztlich nur ein Verkaufsgespräch mit Anlauf, jedoch alles freundlich und vor allem ohne die indische Hartnäckigkeit. Von vielen der Dachrestaurants auf den wild, kreuz und quer gebauten Gebäuden kann man in der Ferne einige der gigantischen 7- und 8tausender sehen. Zusammen mit den verschiedenen Kneipen und Restaurants aus allen Teilen der Erde und den allerorts auf die engen Gassen quellenden Läden kann man es hier echt ne Weile aushalten. Uns reichte jedoch eine Woche, schließlich rief der Berg.

Nach Recherche und Studium verschiedener Karten entschieden wir uns für die Annapurnaumrundung. Sie gilt als eine der schönsten Touren im Land, wenngleich auch etwas touristisch. Die anhaltenden politischen Unruhen seit Jahren im Land haben hier aber auch ihr Gutes und halten die Hochgebirgsfans aus aller Welt schon lange fern. So hatten wir die fast dreiwöchige Höhentour fast für uns allein. 17 Tage brauchten wir einschließlich verschiedener Abstecher, so zum höchstgelegenen See der Erde – Lake Tilicho - mit 5030 m über NN und zwei Tage in Richtung zum Annapurna Basecamp. Es ging einmal herum um den 8091 Meter hohen Annapurna II, vorbei am Dholaughiri mit knapp 8500 Metern und allen in der Nähe stehenden Kollegen, über einen Pass (Thorun la mit 5464 Metern über NN), letztlich über mehr als 250 Kilometer weit. Hatten wir zu Beginn der Wanderung noch komfortable 20 Grad, so raubten uns bitterste Kälte bis minus 30 Grad und die über Tage andauernde extreme Höhe alsbald den Schlaf.

Die Erfahrungen mit den Effekten der Höhe auf den Körper oberhalb 4500 Meter sind schon aufregend. Die Luft ist in dieser Gegend nur noch halb so „dick“ wie in Höhe Meeresspiegel. Nachts schreckten wir ab und zu aus einem unruhigen Schlaf und atmeten schnell und flach. Als ob man das Atmen vergessen hätte und hat es gerade noch einmal bemerkt. Bei steilen Anstiegen kämpften wir, um Atmung und Schrittmaß in einen Rhythmus zu bekommen, jedoch in dieser Höhe erholt sich der Körper auch nachts kaum noch, und so waren wir immer wieder zu kurzen Pausen gezwungen, deren Häufigkeit mit der Höhe zunahm. Hinzu kam, dass wir in den primitiven Teehäusern der Bergbewohner, in denen wir die Nächte verbrachten, zumeist nur Reis mit Spuren von Gemüse und wenigen Fasern eines dürren Hammels zum Essen bekamen, und so schwanden die Vorratshüften und Speicherhintern dahin. Unmengen Wasser, die wir täglich tranken, spülten uns das Salz aus dem Körper, und die weißkristallinen Grenzen an Kleidung und Schuhen erinnerten stets ans Nachtanken.

Die einmalige und atemberaubende Landschaft entschädigt für die Anstrengungen und Strapazen tausendfach. Die weißgefrorenen Gipfel der gewaltigen Gebirgsmassive bedeuten einem die eigene Winzigkeit auf die wohl schönste Art. Unsere „Seilschaft“ bestand nur aus Claudi, Lionel und mir. Meistens ging ich vorne weg, um nach dem Weg zu fahnden, da Umwege häufig äußerst kräftezehrend waren, ohnehin nach Erkennen frustrierten und Lionel sich fast immer an seiner physischen Leistungsgrenze befand. Ganz vermeiden ließen sich Umwege aber nicht, und der schwerste Fehler dauerte hier schlappe 7 Stunden und 1400 Höhenmeter extra. Bis zu den ersten Tränen warens da nur noch Zentimeter. Wir wanderten täglich so zwischen 6-8 Stunden, und auch unser amerikanischer Freund lernte nach den anfänglichen körperlichen Schmerzen den Genuss der Einsamkeit in phenomenaler Gebirgslandschaft, gekrönt durch einen nie gesehenen Sternenhimmel in lichtloser Nacht und umrahmt durch die eisigen blassfalen Berggiganten, schätzen. Der Atem schien uns vorm Munde zu gefrieren, und die Nächte vor der Passüberquerung raubten uns Schlaf und Kraft. Allein der Blick einmal ringsherum füllte uns sofort wieder auf mit Energie und Enthusiasmus, und die nächste Tour durch die Bergwelt des Himalaya ist im Geiste schon fest gebucht. Sei es Glück oder Fuegung, es gelang uns sogar, die maoistischen Wegelagerer zu umgehen, welche hier in der Gegend bewaffnet eine Art Wegezoll von den Trekkern erpressen.

Zurück in Pokhara, der zweitegrößten Stadt Nepals, und nahe des Startpunktes unserer Bergtour gelegen, waren wir voller unvergesslicher Eindrücke und Erlebnisse, und ein Blick nach Norden zog uns sofort wieder die Mundwinkel breit, liegen doch die in Eis gepackten Herrlichkeiten nur wenige Kilometer vor der Stadt. Nach einigen Tagen herumhängen und schlemmen fuhren wir zurück nach Kathmandu, und von dort aus ohne Schießereien und Blockaden weiter nach Indien. Schwein gehabt!!! Nepal war einer der ganz ganz großen Genüsse unserer Reise und steht im Ranking der empfohlenen Urlaubsziele ganz weit oben!

Zurück in Indien:

Wir kauften uns noch in Kathmandu die Fahrkarten für die knapp 900 km lange Busfahrt bis nach Varanassi – India. Der zuerst versprochene große komfortable Bus bis zur Grenze entpuppte sich am nächsten Morgen 5:00 Uhr als verotteter und überfüllter Minibus. Die ersten Zweifel waren bei uns geboren. Nach einer Nacht in einem düsteren und moskitoverseuchten Hotelloch im hässlichen nepalesischen Grenzort Sunauli wanderten wir am nächsten Morgen über die Grenze nach Indien. Noch in Sunauli sollten wir auf Geheiß des „Mitarbeiters vor Ort“ die Bustickets tauschen. Wir hätten uns dann nach Passieren der Grenze in einer indischen Straßenkneipe zu melden, die Jungs würden uns dann den richtigen Bus zeigen. Wir hockten nach Passieren der Grenze in einem heruntergekommenden Teeshop so an die zwei Stunden, die benannte Abfahrtzeit des Busses war längst verstrichen, unser „Betreuer“ bedeutete uns jedoch, weiter zu warten. Nach dem dritten Liter Tee platzte mir der Kragen. Ich bedeutete dem Teetypen nun mit geschwollenen Halsschlagadern, dass ich glaube, er ließe uns hier ganz bewusst herumsitzen, damit der eigentliche Bus schließlich ohne uns fährt und hier ’ne ganz miese Nummer liefe. Daraufhin brachte er uns zum ordinären indischen Linienbus und erklärte, wir müßten jetzt Tickets kaufen, auf unseren stünde ja schließlich nichts vom Zielort Varanassi. Jetzt kochte die Suppe über. Ich schubste diesen miesen Hering durch den Bus ins Freie, begleitet vom hochtonalen Schreien Claudis nach der Polizei. Die Situation wurde immer unübersichtlicher - im Handgemenge von nun plötzlich mehreren indischen Gefechtsteilnehmern. Als sich schließlich Claudi mit blanken Zähnen und rotunterlaufenen Augen auf das Hauptschwein stürzte, gab er auf. Wortlos bezahlte er unsere Busfahrkarten und verschwand. Der alte und völlig verwahrloste Bus wurde zur goldenen Sänfte für die Sieger, und der Triumphzug dauerte 12 Stunden bis in die heilige Stadt – Varanassi.

Varanassi ist in der Tat die wohl bedeutenste Stadt für die Hindus in aller Welt. Sie liegt direkt am Fluss der Flüsse, am ebenfalls heiligen Ganges. Nach hinduistischem Glaube entspringt er dem Haupte Shivas, einem der drei Hauptgötter im Hinduismus. Das Wasser des Ganges reinigt Körper und Geist und überhaupt alles von allen Sünden, Krankheit, Kummer und Bösem. Kein Waschmittel reicht auch nur annähernd an seine Qualitäten, und keine Wässer sind so vollkommen und ewig wie die der „Mutter der Erde“. Täglich baden und trinken um die 40.000 Menschen sein Wasser, und man stelle sich den Anblick vor, wie Tausende hüfttief im noch nebelbedeckten Fluss stehen, die Hände, gefüllt mit Wasser, immer wieder über Kopf und Körper führen und singend auf den Sonnenaufgang warten. Wir waren sprachlos und ergriffen davon, so etwas hatten wir noch nie gesehen.

Dabei muss man wissen, dass ein Bad in einer deutschen Kläranlage wesentlich gesünder wäre als eines im Ganges. Er zählt zu den am schlimmsten verseuchten großen Flüssen unseres Planeten. Die Abwässer der Millionenstädte fließen völlig ungeklärt hinein, der gesamte Müll endet hier, tote heilige Kühe werden hineingeworfen, und selbst die Inder werfen ihre Toten in den Ganges. Letzteres ist die für uns Westeuropäer wohl am schwersten verdauliche Kost.

Varanassi ist für Hindus ein Ort zum Sterben. Es gibt hier einen regelrechten Sterbetourismus, und man sieht häufig, wie Menschen in einem Bambusbett durch die Züge und später durch die Stadt getragen werden, um hier zu sterben, und vor allem an den Ufern des Ganges verbrannt zu werden. Es gibt hier zwei spezielle Ghats. Das sind Treppen und Terrassen, die von großen, am Ufer stehenden Gebäuden direkt in den Fluss hinab laufen. Auf diesen werden tagtäglich so um die 300 Tote verbrannt. Der Tote wird auf einer Bambusleiter zunächst im Laufschritt singend durch die Stadt getragen und dann nach kurzer ritueller Waschung im Ganges auf einem aufgestapelten Brennholzhaufen gelegt. Der Körper ist nur in eine Lage weißes Leinen gehüllt, und der älteste und nahestehendste männliche Verwandte zündet dann nach kurzem Zeremoniell die bizarre Skulptur mit der ewigen Flamme an. Die Leute, ausschließlich Männer, stehen unmittelbar daneben - und so auch wir. Man sitzt herum, trinkt Tee, raucht und schwatzt, begleitet vom Zischen und Gurgeln des verbrennenden Fettes. Fällt ein Arm oder Bein aus den Flammen, so gibt es für jedes der hier so im Schnitt bis zu fünf brennenden Feuer einen Feuermeister, der mit einer langen Bambusstange für optimale Verbrennung sorgt. Nach einer „Garzeit“ von genau dreieinhalb Stunden wird dann alles in den Ganges geworfen, beobachtet von den überall herumlungernden wilden Hunden. Verstorbene Schwangere, durch Schlangenbisse Getötete und heilige Sadhus werden nicht verbrannt. Ein Bootsman bindet den (Un-?)Glücklichen einen großen Stein an die Füße und versenkt sie mit lautem Splash 50 Meter vom Ufer weg im Ganges. All das geht ohne großes Aufsehen vor sich und ist in makaberer Weise gut organisiert, wie sonst wenig in Indien. Sogar Süßwasserdelphine gibt es hier in der trüben Kloake des Flusses. Sie sind blind - und wo trifft man sie wohl am häufigsten…!? Des Einen Freud, des Andern Leid!

Die Stadt ist aber nicht nur wegen der ständigen Himmelfahrt interessant. Es gibt eine sehr schöne, typisch indische Altstadt, enge, verwinkelte Gassen mit unzähligen, winzigen, wie Löcher in den Wänden platzierten Läden, Teeshops und Menschenmassen in bislang nicht gekanntem Ausmaß. Überall laufen Kühe umher, und oft trifft man die hier heiligen Tiere mitten auf einer der ohnehin schon heillos überfüllten Straßenkreuzungen liegend und wiederkäuend. Ein tägliches Verkehrschaos jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Jedoch, niemand vergeht sich mit Gewalt an den Tieren. Im Gegenteil, sie werden gefüttert, und immer wieder sahen wir eine flüchtige Berührung eines Passanten mit sich anschließendem Blitzgebet. 3300 verschiedene Götter leben im Körper einer Kuh, da lohnt sich der Griff an den lebendigen Altar!

Für einen Tag mieteten wir uns einen offiziellen Guide mit fundiertem Fachwissen über Historie, Kultur und Religion. Lächerliche 10 Euro kostete der informelle Hochgenuss im lustigen Indisch-Englisch. Gleichfalls bedeutsam ist die Stadt in der Musik, leben doch hier einige der bedeutensten Künstler Indiens. Vor allem Percssions sind hier auf höchstem Niveau entwickelt, und wir trafen einige Traveller, die hier zum Lernen von Trommel, Sita, aber auch Yoga und Meditation für Monate hängenblieben.

Oft begegneten wir hier den Sadhus. Das sind meistens in orange mit Turban und Stock gekleidete, heilig geltende Männer, die sich von jeglichem Besitz losgesagt haben. Sie leben von Almosen und widmen ihr Leben den Göttern, rituellem Yoga und der Meditation. Sie besitzen die Macht über Geist und Materie und können sie getrennt voneinander steuern und beeinflussen. Der Realist rümpft darüber natürlich die Nase, und auch ich habe einige neue Falten hier, jedoch die Burschen sind in der Tat geheimnisumwittert, und es gibt immer wieder Anekdoten und aktuelle Ereignisse im Zusammenhang mit ihnen, welche wir uns mit unseren üblichen irdischen Mitteln nicht erklären können. So versuchte zum Beispiel erst eine Woche vor unserem Aufschlagen in der Stadt einer der orangen Zauberer ohne jeden Geltungsdrang mit dem Zug von Varanassi in eine andere Stadt zu gelangen. Natürlich ohne Fahrkarte. Der pflichtbewusste Schaffner war auch Realist, ließ sich nicht beirren und verlangte, dass der Sadhu aussteigt. Dieser erklärte jedoch, er müsse mit diesem Zug fahren, beziehungsweise der Zug würde definitiv nicht ohne ihn losfahren. Er wurde hinausgeworfen und bezog in verknoteter Haltung Position auf dem Bahnsteig. Der Zug sollte nun abfahren, aber aus welchen Gründen auch immer, er bewegte sich nicht. Als auch die herbeigerufenen Techniker nach geraumer Zeit erfolglosen Suchens nach der Ursache für das Problem nicht weiterkamen, erinnerte sich der Chef der Lochzange an den „misshandelten“ Sadhu. Man entschuldigte sich wortreich, alles sei ein Missverständnis und erklärte, er könne selbstverständlich im Dienste Gottes auch ohne Ticket mitfahren. Der Zug verließ mit, für indische Masse, etwas Verspätung die Stadt.

Nach über einer Woche im unglaublichen Varanassi taten auch wir das, in einem bis zur Decke vollgestopften Nachtzug nach Kujeraho. Dieses Städtchen ist bekannt für seine exzellent erhaltenen Tempel und dort in Stein gehauene, erotische Darstellungen des indischen Liebesalltags verblasster Zeiten. Sozusagen Pornographie vor 2000 Jahren. Die Techniken waren übrigens prinzipiell die gleichen wie heute, nur die Mitwirkung von Haustieren ist heute glücklicherweise mehr in Vergessenheit geraten. Unweit dieses wirklich eindrucksvollen Erbes steingewordener menschlicher Phantasie ist ein weiteres typisches indisches Städtchen namens Orcha. Direkt an einem großen Fluss gelegen, besitzt es Mengen von hunderte Jahre alten Palästen und Tempeln, in denen man frei und unbehelligt umherklettern kann, um die Atmosphäre und den alten Glanz hautnah zu atmen.

Die letzte Chance auf Strand, Meer und Palmen auf dieser Reise ließ uns von hier aus die heftigen Strapazen einer zweitägigen Zugfahrt bis nach Goa an die Südwestküste des Subkontinents auf uns nehmen. Für 40 Stunden in einem 8-Mann-Abteil zusammen mit 18 reisefreudigen Indern, eintauchen in indischen Alltag und Geruch! Allein das Kaufen der Fahrkarte ist ein Erlebnis. Die Leute stehen nicht in einer Reihe an, sie kleben aneinander. Vor dem Schalter bildet sich stets ein Menschenhaufen wie Fußballer nach einem Torschuss, und damit nicht genug, steht inmitten in der Schalterhalle ein riesiger wiederkäuender Bulle in seiner eigenen Scheiße. Man kann Indien nur lieben oder hassen. Es gibt nichts dazwischen, und obwohl wir in solchen Situationen natürlich Stress hatten und geladen waren, so gehören wir doch eher zu den Verliebten. Die Inder selbst sind an keiner Stelle gestresst. Sie schauen nur verwundert, wenn einem genervten Weißgesicht wieder einmal der Kragen platzt und lächeln vorsichtshalber freundlich.

Goa war herrlich! 35 Grad, warmes Wasser und Palmen in einer Dichte, die schon wieder gefährlich war. 80, von KoKosnüssen jährlich Erschlagene, kein Paradies auf Erden ist ungetrübt. Viele der Althippis aus den späten Sechzigern sind noch da. Ein Frühstücksschwatz lässt sich von 9 Uhr morgens bis Mitternacht mühelos ausdehnen, und die Geschichten der nun mittlerweile Ergrauten sind vom Feinsten, die verbliebenen Haare noch immer lang, und Entspannung und Lässigkeit gibts hier sogar bei Deutschen Lanzern. Nach einer Woche des Ausruhen und Genießens des noch immer geltenden goanischen Klischees zu den verbotenen Herrlichkeiten der Welt, gönnten wir uns noch zwei Tauchgänge im trüben Riffwasser (wenig spektakulär!) und entschwanden nach Bombay.

Die größte Stadt Indiens und heimliche Hauptstadt der indischen Kunst und Kultur. 16,8 Mio Einwohner drängeln sich offiziell in der riesigen, unter einer gewaltigen Dunstglocke dampfenden Stadt. Das Herz der indischen Filmindustrie heißt „Bollywood“ - irgendwo schon mal gehört (?), der Welt mit Abstand größtes Filmstudio, schlägt hier. Große, bis zu 8spurige Straßen lassen den Verkehr wie eine zähe Masse langsam um eine große Meeresbucht herumfließen, und Anlage und Architektur der Megametropole lassen schon auf den ersten Blick britische Handschrift erkennen. Gewaltige Gebäude mit Säulenportalen, steinerne Paläste mit riesigen Kuppeln und alle sonstige britische Empirepracht findet sich hier in Bombay vereint. Indisch heißt sie Mumbai, und wir bummelten einige Tage durch die atmosphärisch dichte Riesenstadt, bis uns der Lärm, der Schmutz und die überall allgegenwärtigen Menschenmassen vertrieben.

Udaipur hieß unser nächstes großes Ziel, und was die Gründe für unsere Flucht aus Bombay betraf, so kamen wir natürlich vom Regen in die Traufe. Eine große Stadt, rings um ein auf einen Berg gebautes Fort errichtet, ließ uns der Anblick allein schon sprachlos werden. Tausende, zum Teil grotesk verwinkelte Häuschen, mit Menschen geflutete Gassen voll von winzigen Geschäften, die Luft erfüllt von Düften, Rauch und Gewürzen, und Lärm, der sich wie ein ständiges diffuses Rauschen in den Hintergrund mischte.

Allein über unsere Erlebnisse und Eindrücke in Indien könnten wir Bücher füllen. Dies taten jedoch glücklicherweise bereits viele vor uns viel besser, so sei unsere Tour hier im weiteren nur kurz beschrieben. Schließlich erzählen sich die Anekdoten doch anhand der Bilder für Interessierte viel besser, oder machen sie überhaupt erst erlebbar.

Von Udaipur zogen wir weiter ins fantastische Jodpur, die „Blaue Stadt“, und später weiter nach Jailsamer, direkt an der Grenze zu Pakistan mitten in der Wüste gelegen. Einige Tage mieteten wir uns zusammen mit einer lustigen Gruppe zufällig getroffener Israelis ein paar Kamele mit Hirten und spielten „die Karavane zieht weiter, der Sultan hat Durst…“. Den ganzen Tag auf einem Kamel zeigt einem Schmerzen an Stellen, die man an sich selbst nie vermutet hätte. In Decken gehüllt, verschwatzten wir die erste Hälfte der schweinekalten Wüstennacht und durchfroren dann den Rest. Mit breitbeinigem Gang erreichten wir New Delhi, die Hauptstadt Indiens, einige Tage später.

Der Weihnachtsmann wurde hier von uns vergeblich erwartet, es interessierte sich offenbar kein Schwein für dieses besondere Datum. Der Geschmack des indischen Thali (Reis, verschiedene Gemüse, Linsen, saurer Kefir und Maisfladen) tötete fast die Erinnerung an den Geschmack von Stollen. Wir saßen mit fernem Blick in einem Teeshop, glotzten auf die vor dem Lokal stehenden zwei Kühe, vorbei an der trägen Masse aus Rikshafahrern, Gemüsehändlern und Verkehr und sahen ganz andere Bilder. Delhi war nun der Gipfel der Menschendichte, die Sonne sieht man durch den dicken Dunst nur noch als rote Scheibe, und wir bekamen nach einigen Tagen den Drang, hier raus zu müssen.

Zeit hatten wir genug, und so tingelten wir mit einem Überlandbus nach Norden in eine berühmte Satelittenstadt namens Chandigar. Einer der wohl berühmtesten Architekten des 20. Jahrhunderts, Le Corbussier, hatte sie in den 50zigern auf die „grüne Wiese“ geplant, und in den 60zigern wurde sie schließlich gebaut. Nicht schön für unser Empfinden, aber hochinteressant zu sehen, und so überhaupt nicht indisch.

Natürlich kann man Indien nicht verlassen, ohne das Taj Mahal gesehen zu haben, und so verbrachten wir unsere letzte Woche vor dem Abflug nach China in Agra. Wir sahen also die megaberühmten Bauwerke der vergangen Kulturen, die die Menschen bis heute bei ihrem Anblick ehrfurchtsvoll erstarren lassen. Es ist zu recht so. Auch wir standen fassungslos und gerührt davor, und es fiel schwer, sich beim Weggehen nicht dauernd wieder umdrehen zu müssen.

Unsere Silvesterparty unmittelbar vor dieser der Welt wohl aufregendsten Kulisse war spontan, international und äußerst lustig. Ich schleppte noch aus Zeiten der DDR stammende Silvesterknaller mit mir herum, eigentlich zum Vertreiben agressiver Tiere, und entschied, dass ist der richtige Moment für deren Einsatz. Die indischen Mitfeiernden waren begeistert und übernahmen sofort die Feuerwerksleitung. Sie überlebten knapp!

Am 5. Januar brachte uns eine chinesische Maschine in 8 Stunden Flug (!) von Delhi nach Peking. Unsere zweieinhalb Monate in Indien waren ein erster Eindruck. Es ist wohl wie das Lesen der Zusammenfassung eines Buches im Laden. Kauft man es oder nicht. Wir kaufen es!!

China:

Peking zeigte sich uns bitter kalt und leicht verschneit. Alles scheint neu und modern. Auf den Straßen, die in Größe und Ausdehnung an die Karl-Marx-Allee in Berlin erinnern, trifft man mehr Polizisten, zivile Geheimagenten und Straßenfeger als Passanten. Alles ist steril und sauber, und wir entdeckten erst auf den zweiten Blick die tausenden Überwachungskammeras an jeder Ecke der Stadt. Kommunistische rote Spruchbänder, rote Sterne und das Abbild Mao Zedungs an Wänden, Gebäuden und auf allen (!!!) Geldscheinen, all das hatten wir schon fast vergessen.

Peking wächst in den Himmel. Wolkenkratzer schießen allerorts wie Pilze aus dem Boden, und es gibt schon Hunderte von ihnen. Es ist eine kalte, identitätslose Stahl- und Glasarchitektur, wie schlechte Kopien von New York, Frankfurt am Main und London. Alte Gebäude wurden und werden rücksichtslos niedergewalzt, getreu dem chinesischen Sprichwort:“ Soll Neues entstehen, muss Altes verschwinden“. Was für eine Logik!

Das üble Herumspucken auf den Straßen haben sie den Chinesen mit Gewalt fast abgewöhnt. Wir erschraken nur noch ab und zu vom gurgelnden, prustenden Geräusch, wenn sich der gemeine Chinese oder Chinesin die oberen Atemwege nebst der Stirnhöhlen säubert und das Ergebnis auf Wegen, in Bussen oder im Restaurant neben den Tisch platziert. Es gibt darüber hinaus natürlich viel zu sehen, und da uns das strikte kommunistische Regime hier ja nichts anging (Ausländer werden in Vorbereitung der Olympiade 2008 wie rohe Eier behandelt!), hatten wir eine schöne Zeit hier.

Für ein paar Stunden wanderten wir die große chinesische Mauer entlang, staunten stundenlang in der riesigen und wirklich atemberaubenden Verbotenen Stadt, der Tempel des Himmels war grandios und der Sommerpalast des Kaisers der „Hammer“. Einiger Ärger beim Beantragen eines Visums für Russland hielt uns für 11 Tage hier fest und verschaffte genug Zeit, ein Gefühl für die 14-Millionen-Stadt zu bekommen. Es wurde nie langweilig, nicht zuletzt auch durch die zahlreichen Spontanpartys allabendlich in unserem Gästehaus mit Reisesüchtigen aus der ganzen Welt. Ein wenig schmetterten wir noch durchs Land, sahen das angeblich 8. Weltwunder – die über 6000 lebensgroßen Terrakottasoldaten in Xi Ian - an und die Mitte des Reiches der Mitte, Shanghai. Auch hier alles neu, modern und aufgeräumt. Bankentürme wechseln sich ab mit Einkaufszentren.

Es blieb uns bisher ein Rätsel, woher wohl all diese gigantischen Investitionen kommen. Das Land scheint aus allen Nähten zu platzen, obwohl der Durchschnittschinese auf der Strasse überhaupt nicht diesen Eindruck nährt, im Gegenteil. Dieser lebt eher bescheiden, unauffällig und scheinbar anspruchslos, und in den zig luxuriösen Shoppingmalls sieht man meistenteils nur Ausländer.

Einen Monat lang bestaunten wir also dieses interessante Land, ob nun Mitte oder nicht, wurden aber mit der heutigen Kultur und dem Auftreten der Menschen tagtäglich nicht so recht warm. Wir trafen natürlich andere Reisende, die teils seit Monaten durchs Land ziehen oder gar hier arbeiten. Einige von ihnen mochten Land und Leute. Bei uns blieb stets im Hinterkopf, dass in China alljährlich noch 10.000 Hinrichtungen stattfinden, dass einer der größten Massenmörder aller Zeiten noch immer mit höchsten Ehrungen bedacht wird und gar in einem Mausoleum zu besichtigen ist, und dass jedes auch nur im Ansatz anders geartete Denken als das Befohlene in diesem Land den Kopf kostet. Am für uns bleibenden enormen Kontrast zwischen gigantischem Wirtschaftswachstum einerseits und einem scheinbar ferngesteuerten Volk von Arbeitssoldaten andererseits werden wir wohl noch eine Weile zu arbeiten haben.

Auf nach Russland !
 

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